: Der guerra das propinas geht weiter
■ Portugal hat Uni-Gebühren eingeführt, viele Studis verweigern sie
Lissabon (taz) – Es hatte so ausgesehen, als wären die portugiesischen StudentInnen im „guerra das propinas“, im Kampf gegen Studiengebühren unterlegen. Die sozialistische Regierung setzte 1997 ein Gebührensystem durch, an dem ihre liberale Vorgängerin noch gescheitert war. Diesen März zeigte sich jedoch am „Tag der Studenten“, daß deren Widerstandswille ungebrochen ist: Über 10.000 Studierende demonstrierten in Lissabon erneut heftig dagegen, jährlich 56.000 Escudos (rund 560 Mark) fürs Studieren bezahlen zu müssen. Nun wollen viele HochschülerInnen die verhaßten Gebühren durch Boykott umgehen.
Überall in den Universitäten, ob im klösterlichen Evora oder in der Hochburg der Gebührengegner in Coimbra, hängen Boykottaufrufe aus. Wie bei der letzten trickreichen Zahlungsverweigerung 1994 suchen die Studierenden nach Auswegen. „Die Leute werden so gesetzestreu bleiben wie möglich, aber wenn sie eine Möglichkeit finden, wird das Finanzierungsgesetz legal ,gebrochen‘“, beschreibt Ricardo Mamede die Absicht der akademischen Jugend Portugals. Mamede, inzwischen in einem Forschungsprojekt über Sozialpolitik in Europa beschäftigt, zählte als Studentenvertreter zu den Boykotteuren von 1994. Er und seine Kommilitonen fanden damals eine Vorschrift, nach der die Universitäten gezwungen waren, die Abschlußzeugnisse auszuhändigen – egal ob die Zöglinge bezahlt hatten oder nicht.
Das neue Gebührensystem macht es den 300.000 portugiesischen Studierenden allerdings schwerer. Zahlungsunwillige StudentInnen können zwar alle Seminare und Vorlesungen an der Uni besuchen. Aber nun dürfen die einzelnen Leistungen von der Universitätsverwaltung nicht anerkannt werden, ehe die Jahresgebühr entrichtet ist. Die Hoffnung der Studis richten sich daher auf die Gebührengegner unter den Professoren. In Coimbra als auch an der „Universidade de Lisboa“ sind die Rektoren gegen Gebühren. Ihre Opposition gegen die propinas ist freilich eine Gratwanderung. Als marxistischer Intellektueller ist Lissabons Rektor Barata Moura gegen Gebühren; als Chef der Hochschuladministration muß er sie dennoch eintreiben.
Portugals Erziehungsminister Marcel Grilo betrachtet den Protest mit Gelassenheit. „Nach unseren Informationen zahlen 90 Prozent der Studierenden“, schätzt er großzügig. Die Gebühren stellten eh nur einen „symbolischen Beitrag“ zur Finanzierung der Hochschulen dar. Die sozialistische Regierung hatte nach den vehementen Studentenprotesten der vergangenen Jahre die Gebühren von 900 bis 1.500 Mark der Liberal- Konservativen unter Cavaco Silva deutlich entschärft. Die propinas dürfen den Mindestlohn nun nicht übersteigen, der derzeit 56.000 Escudos beträgt. Ein Stipendium sorge dafür, versicherte Grilo, daß bedürftige Studierende eine Studienunterstützung erhalten, die so hoch ist wie die Jahresgebühr. Christian Füller
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