: Nigeria gehen die Diktatoren so schnell nicht aus
■ Nach dem Tod von Diktator Abacha ernennt die herrschende Junta einen profillosen General zum Nachfolger. Die Opposition will ihre Proteste ausweiten
Berlin/Lagos (taz) – Nigeria hat einen neuen Militärdiktator. General Abdulsalam Abubakar, bisher Generalstabschef der Armee, tritt an die Stelle von General Sani Abacha, der am Montag gestorben war. Kurz nach zwei Uhr nachts schwor Abubakar den Amtseid auf den Koran und rief eine Woche Staatstrauer aus. Außerdem kündigte er an, „bald“ eine Rede an die Nation zu halten.
Der 54jährige Abacha, der seit November 1993 regierte, war nach Angaben seiner Angehörigen am Montag morgen in seinem Amtssitz in der Hauptstadt Abuja an Herzversagen gestorben. Zum Sonnenuntergang wurde er in seiner nordnigerianischen Heimatstadt Kano beigesetzt. Sein Tod wurde der Öffentlichkeit erst abends bekanntgegeben. Die Nachricht traf Nigeria unerwartet, obwohl bekannt war, daß Abacha schwer krank war. Viele Beobachter fürchten, Abachas Tod – dessen genaue Umstände unklar bleiben – könnte den Auftakt zu einen Machtkampf innerhalb des Militärs bilden.
Der 46jährige Abubakar ist unter Nigerias Militärs der wohl treueste Diener seines verstorbenen Herrn. In letzter Zeit mußte er immer Abachas Reden verlesen, wenn dieser zu angekündigten öffentlichen Auftritten nicht erschien. Unter dem früheren Militärherrscher Ibrahim Babangida, der von 1985 bis 1993 regierte, war Abubakar zum Geheimdienstchef aufgestiegen. Möglicherweise aber ist seine Loyalität zu Babangida der Schlüssel zur Lösung der neuen nigerianischen Krise. Babangida hat sich in jüngster Zeit öffentlich gegen eine Fortsetzung der Militärherrschaft ausgesprochen und soll gemäßigte zivile Politiker finanziell unterstützen. Da Abubakar keine eigenen politischen Ambitionen an den Tag legt, ist jetzt ein neuer Anlauf zur Demokratisierung denkbar.
Die radikale demokratische Opposition setzt zunächst jedoch auf eine Verstärkung ihres Kampfs gegen die Diktatur. Das Oppositionsbündnis United Action for Democracy rief gestern zu „Versammlungen, Prozessionen und anderen zivilen Agitationsmethoden für ein sofortiges Ende der Militärherrschaft“ auf.
Die Formulierung legt nahe, daß die Opposition schon ab jetzt die Militärregierung Nigerias nicht mehr anerkennen will. Bisher war dieser Schritt für den 1. Oktober vorgesehen – der Termin, den Abacha einst zur Übergabe der Macht an einen gewählten Nachfolger gesetzt hatte, womit er aber nach weitverbreiteter Überzeugung eine Machtübergabe an sich selbst meinte. In der Opposition sind derzeit Tendenzen im Aufwind, den Vielvölkerstaat Nigeria nach ethnischen Kriterien aufzuteilen – was zu einem Bürgerkrieg führen könnte. Dominic Johnson
Tagesthema Seite 3
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen