■ Vorschlag
: Lauter eigene Geschichten – Filme von Geneviève Mersch im fsk

Vermutlich wußten auch Sie bisher nicht, daß der außerhalb Luxemburgs am häufigsten gezeigte luxemburgische Film Geneviève Merschs „Le pont rouge“ (1991) ist. Der mehrfach preisgekrönte, knapp zwanzigminütige Dokumentarfilm läßt die Bewohner eines kleinen Ortes im Pfaffenthal davon erzählen, wie es ist, wenn von der unwahrscheinlich rot und riesig über ihren Häuser aufragenden Brücke die Selbstmörder auf ihre Straßen, in ihre Gärten und durch ihre Dächer fallen. In den kommenden Tagen ist „Le pont rouge“, zusammen mit acht weiteren Dokumentationen und Kurzspielfilmen, im fsk-Kino zu sehen. Das Programm wurde von der „Blickpilotin“, dem Verein zur Förderung feministischer Filmbildungsarbeit, initiiert, um einen umfassenden Einblick in die vielfältige Tätigkeit der 1963 geborenen Regisseurin zu ermöglichen. Filmen wie „Iwwer an eriwwer“ (1997), der Geschichte des Grenzortes Eisenbach, oder dem beinah meditativen Kurzporträt der Bildhauerin „Liliane Heidelberger“ (1997) ist anzumerken, daß sie nicht einfach nur „erledigt“ wurden. Und in „Sentimental Journey“ (1995) läßt Merschs aufmerksamer, geduldiger Blick auf die amerikanischen und deutschen Soldaten des Zweiten Weltkriegs, die immer wieder an ihre luxemburgischen Einsatzorte zurückkehren, nach und nach die traurige Vergeblichkeit erkennen, mit der da versucht wird, einer traumatisierenden Erinnerung Herr zu werden.

Genauer Beobachtung verdankt sich auch die Abfolge von Situationen, in denen Mersch die Protagonisten ihrer beiden Kurzspielfilme ihre Geschichte erzählen läßt. Hier sind wir direkt angesprochen: Raymond, der zornige kleine Junge in „Le courage“ (1992), droht uns Prügel an, sollten auch wir es wagen, über den kahlen Kopf zu lachen, den ihm die Behandlung seiner Leukämie beschert hat. Und Juliette erlebt in „John“ (1994) alle Höhen und Tiefen ihrer Liebe vor der Videokamera, mit der sie den Filmbrief an ihre Urlaubsbekanntschaft aufnimmt, in deren treuloser Rolle unversehens wir uns wiederfinden. Geneviève Mersch tastet sich, so sagt sie, „nach und nach an längere Formate“ heran. Inzwischen harrt aber schon ein Spielfilmprojekt der Realisierung. Andrea Seitz

fsk, siehe cinema-taz; vom 11. bis 13. Juni ist Geneviève Mersch bei der Vorführung ihrer Filme anwesend