: „Den süßen Wilhelm Wieben, den muß man einfach lieben“
Die schwulesbische Gala: Unser Tagesschausprecher war hinreißend, die Tenöre wunderbar. Aber wo war Ingrid Steeger? ■ Von Silke Mertins
Unser Tagesschausprecher Wilhelm Wieben kann nicht nur tadellos vorlesen, er kann auch recht ordentlich singen. „Mein erster war ein Matrose“, gestand der ARD-Mann mit sonorer Stimme am Donnerstag abend im Schmidts Tivoli, wo er die Eröffnungs-Gala des diesjährigen Christopher-Street-Days (CSD) moderierte. Damit nicht genug: „Beim ersten Mal, da tut's noch weh“, legte Wieben singend nach.
Ganz in den FDP-Farben gelb und blau war sein Outfit gehalten. Auch die Strümpfe, „worauf ich Sie aufmerksam machen möchte“. Seine Assistentin Pamela – Schmidts-Tivoli-ChefIn Corny Littmann – brillierte im pinkfarbenen Badeanzug, aus dessen Ausschnitt sie die Anmoderations-Zettel fischte. „Ich soll nur ablesen“, so Wieben, „weil ich das in der Glotze auch tue. Nur da trage ich Haftschalen.“
Von CSD-Schirmfrau Ingrid Steeger hatte Wieben eine Botschaft vorzulesen: Sie könne wegen Dreharbeiten in Spanien, die „unheimlich wichtig für mich sind“, nicht kommen. Sie sei aber „im Geiste bei Euch“. Sie habe nämlich „viele schwule Freunde“, schreibt sie in ihrem Grußwort. Und auch das mit dem „Kampf gegen Vorurteile“ ist ihr vertraut. Wird sie nicht seit über 20 Jahren als „blonde Ulk-Nudel“ diskriminiert? Ein schweres Los.
Leicht und elegant wußte hingegen der Jongleur Timo Wopp mit seinem Schicksal umzugehen: Bälle und andere Wurfgeschosse flogen und kugelten, glitzerten und wirbelten – tosender Applaus. Was anschließend folgte, war beim Grand Prix d'Homovision in Köln durchgefallen – Hamburg zero points (Wieben: „So sind sie, die Kölner“). Im Schmidts Tivoli war man hingegen von den Interpreten Thorsten Saleina und Dr. Bertie mit ihrem Lied „Die Liebe aufs Treppchen“ hingerissen. In den Schlagerhimmel wurde das Publikum allerdings erst von der Gruppe Bo Doerek mit dem Mary-Roos-Klassiker „Nur die Liebe läßt uns leben“ versetzt. Minutenlang wurde in höchster Erregung geklatscht, getrampelt, geschrien und gejuchzt.
Noch erregender fand Moderator Wieben indes den „Kautschuk-Mann“ Lars Howe, der sich mit musikalischer Untermalung sehr erotisch und zunehmend hüllenlos verrenkte. Exzellent wie immer präsentierte sich Herrchens Frauchen, dieses Mal zusammen mit Tim Fischer und Rolf Claussen. Auch das Stück „Wetten, das ist Frau Witten“, ein Evergreen aus dem Schmidts-Programm, durfte natürlich nicht fehlen („Sie haben ja gar keinen Hund!“ – „Und Sie, Sie haben auch keinen Freund!“).
Mehr als drei Stunden waren bereits vergangen, als andere Theater schlossen und deren KünstlerInnen im Schmidts Tivoli eintrafen. Das Edith-Piaf-Ensemble stellte einen Teil seines Programms vor – wunderbar. Und zum ekstatischen Höhepunkt des Abends geriet der Auftritt der drei Staatsoper-Tenöre Madou Ellabib, Uwe Glöckner und Bernd Steputis. Mit herzergreifenden Stimmen und erfrischendem Mut zur Selbstironie versuchten die befrackten Herren, sich gegenseitig zu überbieten. Dennoch blieb der eigentliche Star des Abends der Moderator. Um es mit den Reimen des Comedy-Künstlers Thomas Herrmanns auszudrücken: „Den süßen Wilhelm Wieben, den muß man einfach lieben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen