: Unsere Leichen leben noch!
■ Alte Helden: Heute wird das Hamburger Kurzfilmfestival eröffnet. In der Reihe „Senior Service“ spielen Rentner die Hauptrolle
Es gibt eine Reihe von Dingen, die Oma und Opa allzu gerne abgesprochen werden. Ganz generell zum Beispiel das Recht, so richtig fetten Spaß am Leben zu haben. Unter dem Titel „Senior Service“ werden zwei Programme auf dem Internationalen Hamburger Kurzfilmfestival gezeigt, die mit den sattsam bekannten Bildern zum Thema Gerontologie brechen. Immer lustvoll und zuweilen recht lustig. Unsere Leichen leben noch – das könnte auch das Motto dieser Arbeiten sein, bei denen Menschen im tiefsten Rentenalter erstaunliche Dinge treiben.
Daß alte Herrschaften auch sexuelle Wesen sein können, beweist Hartmut Jahns Akt Inge – Für Franz, in dem ein 74jähriges Aktmodell vorgestellt wird. Auch Martina El-berts Für so etwas ist eine Frau nie zu alt porträtiert eine Oma, deren Körperlichkeit jenseits von Inkortinenz definiert wird. Und Bödvar Bjarki Pétursson beschreibt in Siggi Valli a Motorhjoli, wie sein Held Siggi noch einmal auf große Tour mit einer Motorradgang geht. Alle drei Filme sind im ersten Teil des „Senior Service“ zu sehen, das unter anderem morgen um 17.30 Uhr im 3001 gezeigt wird.
Der Tonfall innerhalb des Senioren-Programms ist so unterschiedlich gehalten, wie der innerhalb aller Sparten des Kurzfilmfestivals: amüsant, anrührend oder ohne Umschweife analytisch. Im gleichen Maße, wie sich das Blockbuster-Kino scheut, Falten und Narben zu zeigen, weil die für unverkäuflich beim jungen Zielpublikum gehalten werden, setzen die Werke des „Senior Service“ auf den visuellen Aspekt des Alterns. Dabei nimmt die Kamera nie den Blick des Sozial-Voyeuristen ein; auf stereotype Sterbebett-Reportagen wird verzichtet. Was nicht heißt, daß das Leiden oder der Tod keine Rolle spielten. In John O'Briens Masseur fliegt die Kamera über den verwitterten Körper eines alten Mannes, der irgendwann anfängt zu weinen, weil er seit dem Tod seiner Frau nicht mehr so sanft berührt worden ist. Die Bilder sind still, der Schmerz sitzt tief. Um ihn hervorzuholen, bedarf es eines starken Masseurs. Oder eben eines starken Regisseurs.
Christian Buß
Heute abend um 20 Uhr wird das Kurzfilmfestival im Metropolis eröffnet. Ab Morgen werden außerdem im 3001, Studio und B-Movie Kurzfilme gezeigt. Das Programm liegt an der Kinokasse aus, ein umfassender Katalog ist für 5 Mark erhältlich.
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