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Bernau schaut nach dem Rechten

Thema rechte Überfälle im Umland: In der Bernauer „Quila“-Bar wird versucht, die Wogen zwischen Rechten und Linken zu glätten. Ohne Waffen in die Kneipe  ■ Von Barbara Bollwahn

Janco kennt die Szene in Bernau. Die rechte und die linke. Zur Schulzeit war einer der rechten „Oberheinis“ sein bester Freund. Jetzt haben sie nichts mehr miteinander zu tun. Zumindest nicht mehr als Freunde. Sie stehen auf verschiedenen Seiten. Janco, der Geschäftsführer der „Quila“-Bar im Zentrum von Bernau will mit Musik von Jazz über House bis HipHop viele Gruppen ansprechen. Den ehemaligen Kumpel und dessen Freunde jedoch sieht er nicht so gern in der Bar.

Der 25jährige räumt freimütig ein, eine Zeitlang auch mit Bomberjacke und Springerstiefeln rumgelaufen zu sein. Als die Mauer fiel, hat er sich mit den 100 Mark Begrüßungsgeld das entsprechende Outfit zugelegt. „DocMartens gingen zu Ostzeiten für 800 bis 900 D-Mark über den Tisch“, erzählt er. Ein halbes Jahr lang hat die Zeit angedauert, die er als „Phase“ bezeichnet. „Klar bin ich auch mit Sätzen wie ,Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein‘ rumgelaufen“, gesteht Janco. Begründung: „Zu DDR-Zeiten durfte man das ja nicht sagen.“ Doch irgendwann hat es bei ihm „klick“ gemacht. Jetzt sind seine Haare so lang, daß es zum Pferdeschwanz reicht, die Bomberjacke hat er abgelegt.

Bei seinem ehemaligen Schulfreund und den anderen Rechten im Ort stellte sich dieser Geistesblitz offenbar nicht ein. Als Janco im November vergangenen Jahres die Quila-Bar im Zentrum von Bernau eröffnete, dauerte es nicht lange, und „immer mehr Verkappte flogen rein“. Regelmäßig wurden Aufkleber wie „Rudolf Heß – Märtyrer“ angepappt. Das Schild „Nazis in unserer Heimatstadt – Bernauer sagen nein“, das die Barbetreiber daraufhin am Eingang anbrachten, hing nie lange. „Die fühlten sich immer sicherer“, erzählt Janco weiter. „Die anderen Kids kamen nicht mehr.“ Monat für Monat gab es Streß.

Eine Zeitlang kamen regelmäßig Streifenpolizisten vorbei, um nach dem Rechten zu schauen, die Bar bekam eine Durchwahl zum Revier. Janco und seine Freunde setzten indessen auf „wortstarke Auseinandersetzungen“ über Akzeptanz und Toleranz. Die Betreiber des Jugendclubs, der sich über der Bar befindet, reagierten mit einer neuen Hausordnung. Seitdem ist das Tragen von verfassungsfeindlichen Symbolen genauso verboten wie Waffen aller Art. Dazu gehören auch Stahlkappenschuhe und Springerstiefel.

Im März eskalierten die Auseinandersetzungen, als Janco einen Rechten dabei erwischte, wie er das „Bernauer sagen nein“-Schild abreißen wollte. Neben einem „blöden Spruch“ bekam er einen Schlag ins Gesicht als Antwort. Die Platzwunde kam Janco gelegen: Er konnte Anzeige erstatten, „um ihm die Stirn zu bieten“. Seitdem sei Ruhe. Eine Ruhe, von der niemand weiß, wie lange sie dauert.

Janco will den Teufel nicht an die Wand malen. Er ist froh, daß es so ist, wie es jetzt ist. Ruhig. Und so soll es bleiben. „Ich habe nichts dagegen, daß ein Nazi hier sein Bier trinkt“, sagt er, „solange er nicht mit der Reichskriegsflagge provoziert.“ Deren Ideologie will er nicht verändern. Das sei ein hoffnungsloses Unterfangen. Deshalb beschränkt sich Jancos Anliegen darauf, daß sich beide Seiten in Ruhe lassen. „Wir haben eine glücklich Einigung“ gefunden, umschreibt der gelernte Koch und DJ die Lage. Seit März seien die Rechten nur einmal aufgetaucht.

Ärger gab es vor wenigen Wochen am nahe gelegenen Kiessee, wo rechte Jugendliche aus Bernau eine Gruppe von Berliner Abiturienten mit „Berliner raus!“-Rufen überfielen (taz berichtete). Janco kennt einige der Angreifer. „Mit einigen hatten wir auch hier in der Bar Streß“, erzählt er. Doch er warnt davor, die Lage zu „dramatisieren“. Klar gebe es „Nazis und Klapperköppe“. Doch viele wollten nur provozieren. Mehr nicht.

Die 24.000 Einwohner zählende Stadt Bernau gehört nach Erkenntnissen des polizeilichen Staasschutzes zu den neun Zentren rechter Gewalt in Brandenburg. Im letzten Jahr wurden in der Region knapp 150 fremdenfeindliche Übergriffe registriert. In der jüngsten Vergangenheit gab es fast ein Dutzend Übergriffe auf Berliner Schulklassen. Bildungsministerin Angelika Peter (SPD) hat vor wenigen Tagen angekündigt, eine Kontaktstelle einzurichten, die Lehrer und ihre Schulklassen berät, die nach Brandenburg kommen wollen. Außerdem sollen Patenschaften zwischen Berliner und Brandenburger Schulklassen angeregt werden.

Brandenburgs Politikern und Stadtverordneten sitzen erschreckende Zahlen im Nacken. Fremdenfeindliche und rechtsextremistisch motivierte Straftaten haben in den letzten Jahren stetig zugenommen. Waren es 1995 noch 50 Fälle von Körperverletzung und 291 Propagandadelikte, verzeichnete der Verfassungsschutz im vergangenen Jahr 83 Körperverletzungen und 344 Propagandadelikte. Die Versuche in Bernau, dieser Entwicklung gegenzusteuern, bestehen eher im Kleinen. So haben die Betreiber der Quila-Bar Anfang Mai darum gebeten, das Antifa-Straßenfest „aus aktuell politischem Anlaß“ vor ihre Bar zu verlegen. Die Alternative Jugendliste führte einen „Antifaschistischen Frühjahrsputz“ durch, bei dem Hakenkreuze und radikale Parolen entfernt oder mit Blumen und Sonnen übermalt wurden.

Als sich kürzlich Landtagsabgeordnete und Ministeriumsvertreter aus Potsdam und Barnim bei einer Diskussion zum Thema „Jugend ohne Zukunft – ? – keine Zukunft ohne Jugend!“ auf Ursachensuche begaben, wurden sie bei der „Ellenbogengesellschaft“ und „den sozialen Brüchen in der ehemaligen DDR“ fündig. Für Janco ist es der „Wegfall der natürlichen Hemmschwellen“. Zu DDR-Zeiten hätten Kinder und Jugendliche noch auf ihre Eltern und die Nachbarn gehört. Er zeigt auf zwei Kids, die vor der Quila-Bar rauchen. „Das hätte es früher nicht gegeben“, sagt er.

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