Ein ordentlicher Lohn, wenn Papi zu Hause bleibt

■ Sachsens Sozialminister Geisler (CDU) hat eine Idee: Eltern, die ihre Kinder erziehen, sollen monatlich 1.100 Mark erhalten – drei Jahre lang. Familienministerin Nolte hält nichts davon

Berlin (taz) – Kindererziehung ist handfeste Arbeit, wird jedoch von der Gesellschaft nicht als solche angesehen und schon gar nicht honoriert – nicht mehr lange, wenn's nach dem sächsischen Sozialminister Hans Geisler (CDU) geht. Er will elterliche Erziehungsarbeit in Deutschland künftig mit Erwerbsarbeit gleichstellen. Eltern sollen unabhängig von ihrem Einkommen ein Erziehungsgehalt erhalten.

Mit diesem Vorschlag will Geisler bundesweit die Vorreiterrolle einnehmen. Im Freistaat Sachsen wird Erziehung aber schon heute höher anerkannt als anderswo. Seit diesem Jahr zahlt das Land ein Erziehungsgeld von maximal 600 Mark monatlich bis ins dritte Lebensjahr eines Kindes. Im Vergleich dazu geben Baden-Württemberg fürs dritte Jahr nur 500 Mark monatlich, Mecklenburg- Vorpommern und Thüringen jeweils 600 Mark für sechs Monate und Bayern auch nur 500 Mark für sechs Monate. In den übrigen Ländern der Bundesrepublik erhalten Eltern in den ersten beiden Lebensjahren ihrer Kinder monatlich bis zu 600 Mark Erziehungsgeld vom Bund.

Das von Sachsen nunmehr angestrebte Erziehungsgehalt soll das einkommensabhängige Erziehungsgeld ersetzen. Eltern sollen selbst entscheiden können, ob sie ihr Kind in die Obhut einer Tagesstätte geben oder es lieber zu Hause betreuen. Geld soll es in jedem Fall für jedes Kind geben und zwar unabhängig vom Einkommen: 1.100 Mark monatlich bis zum dritten Lebensjahr, für weitere drei Jahre jeweils 800 Mark. Wie bei jeder Erwerbsarbeit sollen Eltern dafür auch Steuern zahlen, allerdings keine Sozialversicherung. Gleichzeitig sichern sie sich einen Rentenanspruch für sechs Jahre Erziehungsarbeit.

Bei Bundesfamilienministerin Claudia Nolte (CDU) beißen die Sachsen mit ihren fast schon revolutionären Absichten allerdings auf Granit. „Wir wollen unser differenziertes System der Familienförderung weiter ausbauen“, sagt Nolte-Sprecher Volker Bästlein. Erziehungsgehalt halte die Ministerin nicht für notwendig, da die Anerkennung der elterlichen Leistungen bereits durch Erziehungsgeld, Erziehungsurlaub und die Anerkennung der Erziehungszeiten in der Rente gewährleistet sei. Sobald aber wieder mehr Geld in der Bundeskasse sei, wolle das Ministerium die Einkommensgrenzen beim Erziehungsgeld herabsetzen und das Kindergeld für kinderreiche Familien erhöhen.

Mit derlei Versprechungen wollen sich die Sozialpolitiker in Sachsen nicht zufriedengeben. Sie beharren auf ihren Plänen eines Erziehungsgehalts. Sollte ihr Konzept ankommen, würde es den Bund 50 Milliarden Mark jährlich kosten. Hans Geisler weiß, woher das Geld kommen soll: Bis zu 20 Milliarden Mark kämen allein durch die Einnahmen der Kindertagesstätten sowie durch eingesparte Sozialhilfe und Wohngeld in die Kasse. Die verbleibenden 30 Milliarden sollen alle zahlen, die lohn- oder einkommenssteuerpflichtig sind, durch einen „Familiensoli“.

Daß auch Kinderlose bereit wären, für Familien etwas abzuzwacken, davon ist Hans Geisler überzeugt. Man müsse ihnen nur bewußt machen, daß Kinder einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen brächten, da sie später in die Rentenkasse einzahlten. Die Grundlage für Geislers Idee findet sich in der Studie „Erziehungsgehalt 2000“, die der Deutsche Arbeitskreis für Familienhilfe aus Freiburg in Auftrag gab und im Frühjahr veröffentlichte. Die Gutachter, darunter der Berliner Wirtschaftsforscher Christian Leipert, gehen davon aus, daß sich in Deutschland die politischen Prioritäten zugunsten der Familien ändern werden, zumal sich die familiäre Situation dramatisch verschlechtert habe. „Viele Eltern wollen mehr Zeit für ihre Kinder“, meint Leipert. Ein Erziehungsgehalt würde ermöglichen, daß sie mehr Zeit zu Hause verbringen könnten – nicht zuletzt auch die Väter. Den Vorwurf, sein Konzept stärke die traditionelle Frauenrolle, will Leipert nicht gelten lassen: „Wir wollen die Familienarbeit aufwerten und können nicht warten, bis die Männer freiwillig dazu bereit sind.“

Interesse am Erziehungsgehalt haben nach sächsischem Vorbild auch schon andere Bundesländer bekundet. In Thüringen und Rheinland-Pfalz existieren Arbeitsgruppen zum Thema, der CDU-Sozialausschuß will sich mit dem Konzept befassen, Renate Schmidt von der SPD in Bayern und auch der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Rudolf Scharping, sollen wohlwollend auf den Vorschlag aus dem CDU-regierten Sachsen reagiert haben.

Angesichts des parteiübergreifend positiven Echos ist Hans Geisler optimistisch, daß das Erziehungsgehalt in Deutschland zur Realität wird. Die Initiative im Bundesrat will er ergreifen, sobald die Zeit reif ist – „nicht im nächsten Jahrtausend“, wie er sagt, „sondern zu Beginn des nächsten Jahrzehnts.“ Heike Spannagel