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Aus für Soziologie an der Saar

■ Lafontaine-Kabinett schafft ein Dutzend Fächer an Uni Saarbrücken ab. Ohrfeige für Außenminister Kinkels Europastudiengang

Berlin (taz) – Edelgard Bulmahn, Schattenministerin für Bildung im SPD-Wahlkampfteam, bekommt eine erste Kostprobe davon, wie gering ihr politischer Einfluß bei den Parteioberen ist.

Vergangene Woche referierte Bulmahn bei den saarländischen Sozialdemokraten noch darüber, daß einer SPD-Regierung die Sozialwissenschaften an den Universitäten besonders wichtig seien. Oskar Lafontaine hörte nickend zu – und beschloß wenige Tage später mit seinem Saarländer Kabinett das Aus für sämtliche sozial- und politikwissenschaftliche Lehrstühle im Saarland. Es wäre das erste Bundesland ohne Wissenschaft von Staat und Gesellschaft.

Wissenschaftsminister Henner Wittling (SPD) will ein Dutzend Studiengänge an der Universität des Saarlandes abschaffen. Bereits im Wintersemester würden für die Fächer Volkswirtschaft, Politik- und Sozialwissenschaft, Biologie, Geographie sowie eine Reihe von Lehramtsstudiengängen keine Studierenden mehr immatrikuliert. Was für den Minister eine Schwerpunktbildung und Modernisierung an der Uni Saarbrücken ist, hat erwartungsgemäß Protest ausgelöst. Die Vorsitzende des für 20.000 Studierende sprechenden Allgemeinen Studenten-Ausschusses (Asta), Armgard Müller- Adams, kritisierte den massiven Abbau von insgesamt 3.500 Studienplätzen. Dieser gefährde die freie Studienwahl. Der Asta will heute ein Gegenkonzept zu den Ministerplänen vorstellen.

Pikant ist das Ende von Soziologie und Politik, weil die Uni Saarbrücken seit zwei Jahren im Auftrag der Landesregierung an einer Zusammenführung der beiden Fächer arbeitet, die nach der Naziherrschaft in der jungen Bundesrepublik ausdrücklich als Demokratiewissenschaften gefördert wurden. Für die Umsetzung des fertigen Fusionskonzepts berief man extra einen neuen Lehrstuhlinhaber. Nun entzieht die Landesregierung dem Soziologen Reinhard Stockmann die Studenten. Stockmann nannte dies gegenüber der taz einen schweren Fehler.

Düpiert wird mit der Einstellung der Sozialwissenschaften auch das Auswärtige Amt. Außenminister Klaus Kinkel (FDP) hatte die Uni Saarland wegen ihrer Frankreich-Nähe als Standort eines Elitestudienganges „Europawissenschaften“ ausersehen. Neben Bonn, Berlin und Hamburg sollten dort frisch Diplomierte ihre Kenntnisse über Europas Staat, Verwaltung und Wirtschaft vertiefen. Diese Fächer, das ist Kinkels Pech, wird es in Saarbrücken nicht mehr geben, wenn er seine ersten Begabten dorthin entsendet. Christian Füller

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