piwik no script img

Rechentrick: Der 13. Sitz fällt weg

Sachsen-Anhalts Parlament tagt heute: Eine neue Zählordung in den Ausschüssen soll den Einfluß der rechtsextremistischen DVU künftig beschränken und trifft auch die PDS gleich mit  ■ Aus Magdeburg Toralf Staud

Der neue Landtag von Sachsen- Anhalt kommt heute in Magdeburg zu seiner ersten regulären Arbeitssitzung zusammen. Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) wird die Regierungserklärung abgeben, ein paar Anträge werden debattiert – aber vor allem soll die neue Geschäftsordnung verabschiedet werden, mit der man den Einfluß der rechtsextremistischen DVU beschränken will.

Zur Abstimmung steht ein Entwurf, den SPD und CDU gemeinsam im Ältestenrat des Landtages durchdrückten: Künftig soll es statt bisher vierzehn nur noch zwölf Ausschüsse geben. Außerdem wird die Zahl der Sitze in den jeweiligen Ausschüssen von dreizehn auf elf verringert und gleichzeitig die Zählweise zur Verteilung der Sitze unter den Fraktionen geändert: Statt dem Shepers-Verfahren gilt künftig das – in Deutschland ebenfalls weit verbreitete – d'Hondtsche.

Das hat gravierende Folgen: Nach dem alten Zählverfahren hätte die DVU in jedem Ausschuß den 4. und 11. Sitz bekommen, nach dem neuen stünde den Rechten außer dem 5. der 13. Sitz zu, den es aber nun nicht mehr geben soll. Analog verliert die DVU den Anspruch auf einen zweiten Ausschußvorsitz.

Wer welches Gremium leitet, entscheidet sich morgen. Gemäß dem Zählverfahren dürfen die einzelnen Fraktionen dort nacheinander ihren Zugriff auf die zwölf Ausschüsse erklären. Die SPD wird als erstes wohl den Wirtschaftsausschuß, die CDU den Innenausschuß wählen. Den dritten Zugriff hat wieder die SPD. Erwartet wird, daß sie den Petitionsausschuß nimmt. Dann ist die PDS an der Reihe. Am wichtigsten ist ihr nach Angaben ihres parlamentarischen Geschäftsführers Wulf Gallert der Jugendausschuß, „damit sich die DVU nicht als Interessenvertreter ihrer Hauptwählerschaft präsentieren kann“. An die DVU wird voraussichtlich der Sozialausschuß fallen.

Durch die Tricks mit der Geschäftsordnung verlieren nicht nur die Rechtsextremisten an Einfluß. Der PDS als zweitkleinster Partei hätte nach dem Shepers-Zählverfahren in jedem Ausschuß der zwölfte Sitz zugestanden, der jetzt ebenfalls wegfällt. So darf sie nur noch zwei Abgeordnete entsenden.

Genau das hatte die CDU, auf deren Idee die Änderungen zurückgehen, beabsichtigt – sieht sie doch sowohl DVU als auch PDS als nichtdemokratische Parteien an. Die SPD, so ihr Fraktionsgeschäftsführer Jens Bullerjahn, wollte eigentlich nur eine Kürzung der Sitzzahl auf zwölf, um die PDS, die Höppners Minderheitsregierung toleriert, nicht zu desavouieren. Doch die PDS lehnte jegliche Geschäftsordnungstricks ab. Landes-Chefin Rosemarie Heim schimpfte hinterher, die SPD wolle „die Demokratie verbiegen“. Bullerjahn rechtfertigt: „Es ist normal, daß sich jedes Parlament selbst seine Strukturen gibt.“

Der parlamentarische Geschäftsführer der PDS, Wulf Gallert, nennt die gesamte Strategie des Ausgrenzens „ziemlichen Blödsinn und kontraproduktiv, um die DVU zu bekämpfen.“ Statt dessen setzen die Sozialisten auf eine offene Konfrontation, auf flammende, antifaschistische Reden im Landtag, was SPD-Mann Bullerjahn zunehmend nervt: „Die PDS kann nicht jedesmal die Weltrevolution ausrufen.“

Dazu wird es bei der Sitzung heute und morgen genügend Gelegenheit geben. Die DVU hat ein paar populistische Anträge eingebracht. So verlangt sie die Kürzung der Ministergehälter, Diäten und Fraktionsgelder um 20 Prozent, allerdings ohne eine konkrete Gesetzesänderung dazu vorzuschlagen. Ein zweiter Antrag fordert eine Einschränkung von „Gewaltdarstellungen und Gewaltverherrlichung in den Medien“.

Weiterhin möchte die DVU eine „repräsentative Befragung“ der Ausländer in Sachsen-Anhalt zur Abschiebung krimineller Ausländer durchführen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen