■ Vorschlag: Fotonachwuchs: "siebzig augen" in den Königstadt-Terrassen
#Vorschlag
Fotonachwuchs: „siebzig augen“ in den Königstadt-Terrassen
Vier Augen sehen mehr als zwei, sagt der Volksmund. Aber was sehen dann erst 70? Allerhand: „siebzig augen“ bietet eine ziemlich verwirrende Vielfalt von Bildern, Themen und Techniken. Gemein haben die Arbeiten, die in den Königstadt-Terrassen zu sehen sind, nur eins: Ihre 35 Macher sind frischgebackene Fotodesigner, Absolventen der Berliner Lette-Schule. Sie zeigen ihre Abschlußarbeiten. Ständig sind einige der jungen Künstler vor Ort.
In einem Raum läuft ein Fernsehgerät. Irgendeine ZDF-Serie, etwas mit Ärzten. Daneben hängen farbige Fotos von Dreharbeiten der „Rettungsflieger“. Marc Meyerbröker hat den Filmalltag eingefangen, ein wenig Action und Technik, Schauspieler und so. Professionell fotografiert, aber ein bißchen langweilig. Ähnlich beliebig kommen die farbigen Bilder von Sabine Ziarno daher, die Momentaufnahmen aus dem Leben von Menschen aus Indonesien zeigen. Daß die Berlinerin anders kann, zeigt sie mit dem Zyklus „Sternzeichen“. Am Computer bastelte sie schöne Bilder von Wesen, halb Mensch, halb Tier. Überhaupt der PC: Gut die Hälfte der gezeigten Fotos wurde digital bearbeitet. Richtig trendy sehen zum Beispiel die Bilder von Stephan Koal aus, der knallbunt schöne Frauen und Männer in aberwitzigen Situationen zeigt. Da steht eine im grünen Satinkleid gekleidete Dame im Boxring und guckt leicht irritiert aus der Wäsche. Einfach lustig. Sponsor Viva täte gut daran, Koals Arbeiten ab und an als Pausenzeichen ins Programm zu nehmen.
Ganz genau schaute Anne Schöppler für ihre Fotoreportage aus einem deutschen Dorf hin. Ihre Bildstrecke heimste den Kodak- Nachwuchsförderpreis 1997 ein. Bockwurst und Bier, Volksfest und leere Dorfstraßen, Idylle und viele Zäune – wer wollte hier leben? So richtig gemütlich kann es in Ulan-Bator, der mongolischen Hauptstadt, auch nicht sein, jedenfalls nicht für die rund tausend Straßenkinder, die dort leben. Anja Lehmann – ebenfalls mit dem letztjährigen Kodak-Nachwuchsförderpreis ausgezeichnet – dokumentiert mit ihren Schwarzweißbildern den Alltag der Straßenkids. Sie betteln, klauen, leben in Kanalisationsschächten, landen bei der Polizei oder im Kinderknast. Ihren eigenen Arbeiten hat die Fotografin Interviewpassagen und farbige Schnappschüsse beigestellt: Die kleinen Mongolen sollten ihr Leben selbst zeigen. „Ich wollte meine Arbeit überprüfen“, erklärt Anja Lehmann, „würden die Kinder etwas anderes fotografieren als ich selbst?“ Haben sie aber nicht. Andreas Hergeth
Bis 21.6., täglich 12 bis 20 Uhr, Schönhauser Allee 10–11
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