Scientology: Verfassungsschutz blockt ab

■ Verfassungsschutz soll Hinweise haben, daß mehrere leitende Beamte Scientology-Mitglieder sind. Kein Dementi der Innenverwaltung. Fall des Polizeidirektors D. wird immer undurchsichtiger. Angeblich

Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) hat offenbar Hinweise dafür, daß mehrere hohe Beamte des öffentlichen Dienstes Mitglieder der Scientology-Sekte sind. Nach Angaben eines V-Mannes soll auch ein „bekannter Berliner Verwaltungsrichter“ auf der internen Mitgliederliste stehen. Innenstaatssekretär Kuno Böse (CDU) dementierte dies gestern im Verfassungsschutzausschuß nicht. In einer öffentlichen Sitzung wollte er sich dazu nicht nicht äußern.

Bislang sind nur die Namen von zwei Polizisten bekannt, die vom VS als Scientology-Mitglieder gehandelt werden. Der Kriminalhauptkommissar Volker K. soll wie berichtet polizeiliche Daten an die Sekte weitergegeben haben. Nachdem er vom Kammergericht wegen unerlaubter Datenweitergabe freigesprochen worden war, prüft die Innenbehörde weiterhin ein Disziplinarverfahren wegen möglicher Pflichtverletzung.

Immer undurchsichtiger wird dagegen der Fall des 48jährigen Polizeidirektors Otto D. Die Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen, Renate Künast, drängte den VS-Ausschuß gestern vergeblich um Aufklärung. Auch als sich der Ausschuß zu nichtöffentlicher Sitzung zurückzog, habe sie keine befriedigende Antwort auf ihre Fragen erhalten, so Künast: „Alles ist im diffusen geblieben.“

Der Leiter des polizeilichen Lagezentrums und Mitglied der Zehlendorfer CDU, Otto D., schwört „beim Leben meines Sohnes“, nie etwas mit den Scientologen zu tun gehabt zu haben. Der ranghohe Beamte war am 20. März in einem anonymen Schreiben bezichtigt worden, seit fünf Jahren Mitglied und seit drei Jahren Führungskader der Sekte zu sein.

Die in dem anonymen Schreiben aufgestellte Behauptung, er habe einen aussteigewilligen Kollegen bei der Polizei genötigt, konnte die Staatsanwaltschaft nicht erhärten. Das Ermittlungsverfahren soll demnächst eingestellt werden.

Der Tagesspiegel heizte die Gerüchteküche gestern mit neuen Details an. Der Zeitung zufolge hat ein V-Mann unter den Scientologen dem Verfassungsschutz „seit rund einem Jahr“ regelmäßig über Otto D.s Aktivitäten und seine führende Rolle in der Berliner Sekten-Zweigstelle berichtet.

Innenstaatssekretär Böse blieb gestern allerdings dabei, daß der Verfassungsschutz erst am 20. März durch das anoyme Schreiben von D.s angeblicher Mitgliedschaft erfahren habe. Zehn Tage später, am 31. März, bescheinigte der VS dem Polizeipräsidenten in einem Behördenzeugnis, daß Otto D. Mitglied der Scientologen sei. Der Polizeidirektor wurde daraufhin von seinen Leitungsfunktionen entbunden. Er klagt dagegen vor dem Verwaltungsgericht.

Wie die Erkenntnis innerhalb von zehn Tagen zustande kommen konnte, beantwortete Böse gestern nicht. Er dementierte aber auch nicht die Behauptung von Scientology, der VS habe noch im April und Mai einen Teilzeitmitarbeiter der Sekte durch Zahlung von 5.000 Mark vergeblich als Informanten anzuwerben versucht.

„Die Scientologen ziehen das Amt offenbar am Nasenring durch die Stadt“, stellte Künast fest. Auf ihre Nachfrage hin mußte Böse zugeben, daß Otto D. seit 1989 keiner Sicherheitsüberprüfung mehr unterzogen worden war, selbst dann nicht, als er 1995 zum Leiter des sicherheitsrelevanten Lagezentrums bestellt wurde.

Offen blieb, wie die Polizei mit Otto D. umzugehen gedenkt, wenn das Ermittlungsverfahren eingestellt worden ist. Laut Böse soll dann zwar disziplinarrechtlich geprüft werden, ob ein Polizeidirektor, „der in so einer Organisation ist“, eine Leitungsfunktion innehaben kann.

Gleichzeitig verwies der Staatssekretär aber darauf, daß Scientology zwar observiert werde, die Sekte „aber keiner Form der Diskriminierung und Verfolgung unterliegt“. Anderes zu beschließen sei Sache der Innenministerkonferenz. Plutonia Plarre