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Eigenleistung statt Utopia

Ökologische Projekte in Berlin-Pankow und Lychen sollen engagierten Häuslebauern ein Eigenheim zu finanzierbaren Konditionen verschaffen  ■ Von Esther Kogelboom

Ökologisches Wohnen und Leben, innenstadtnah, kinderfreundlich und fernab jeder Anonymität: was andernorts noch nach schwer umsetzbarer Utopie klingt, nimmt in Pankow konkrete Formen an. In Rosenthal entsteht, unmittelbar angrenzend an den denkmalgeschützen Dorfkern, auf einem ehemaligen Sportplatz eine ökologische Siedlung. „Die Baugenehmigung haben wir endlich erhalten, und von der Investitionsbank Berlin (IBB) erhalten wir Fördergeld“, so Angela Runge, die Initiatorin des Projektes. Noch sucht sie Interessenten für die Grundstücke, auf denen die Häuslebauer in Eigenleistung ihr zukünftiges Domizil errichten können.

Die Anlage soll sich an die in der Umgebung vielfach vorhandene Hofstruktur anpassen. Insgesamt werden 24 Reihenhäuser nach ökologischen Richtlinien entstehen. Zusätzlich wird es ein Gemeinschaftshaus mit Raum für Gewächshaus, Heizzentrale und Biosauna geben; das Wohnen in einer großen Gemeinschaft liegt Angela Runge besonders am Herzen. Die Holzhäuser werden nach dem Konzept des Niedrigenergiehauses umgesetzt, sie verfügen über eine massive Unterkellerung mit Flachsdämmung, eine thermische Solaranlage und einen Lehminnenausbau, der für ein besonders gut verträgliches Raumklima sorgen soll. Eine Kapillarwand- oder Bodenheizung sorgt für Behaglichkeit und Wärme, aber bei niedrigen Temperaturen kann die zentrale Heizanlage zusätzlich Wärme aus Gas gewinnen. Geplant sind ebenfalls Komposttoiletten. Trotzdem soll den Bauherren noch genügend Spielraum für individuelle Gestaltungswünsche eingeräumt werden. Zu jedem Grundstück gehört ein Garten, gemeinsam werden ein Feuchtbiotop und ein Naturspielplatz genutzt. „Wir wollen von Anfang an ökologisch und wirtschaftlich bauen, die Preise halten sich durchaus im Rahmen“, so Runge.

Auch autoarmes Wohnen ist geplant: Im Gespräch sei zur Zeit die Car-sharing-Variante. „Gut angebunden an das öffentliche Netz sind wir: Es gibt zwei Buslinien vor der Tür.“

Klaus-Peter Kurch vom Verein Ökostadt e.V. präsentiert ein etwas anderes Konzept: Die Ökostädter starteten 1991 mit der Gründung eines Fördervereins. Außerhalb der Stadtgrenzen Berlins sollte ein großes Wohnprojekt entstehen, doch die Suche nach einer geeigneten Nutzungsfläche verlief zunächst erfolglos, bis die engagierten Mitglieder das brandenburgische Nest Lychen entdeckten, das mit seinen 3.500 Einwohnern unweit von Ravensbrück liegt. Dort haben die Genossenschafter ein altes Haus erstanden, das gerade umgebaut und komplett renoviert wird. „Da wir mehrheitlich bereits vorhandene Bausubstanz nutzen wollen, ist Lychen das ideale Pflaster für uns“, erläutert Kurch. Das Lychener Haus, das die Genossenschaftsmitglieder erworben haben, wird neben Wohn- und Arbeitsfläche ein Projektzentrum und ein Rucksackhotel beherbergen. Saniert wird es komplett in Eigenleistung von Langzeitarbeitslosen; die Bauleistungen sollen zwei feste Arbeitsplätze schaffen.

Der Boden des Hauses ist mit Altglas isoliert, wofür fast 10.000 Flaschen ihre Köpfe hinhalten mußten. Komposttoiletten, das Recycling von vorhandenen Materialien und ökologisch verträgliche Wärmegewinnung gehören auch im Haus der Ökostadt zum Standard.

„Von der Wessi-Initiative am Anfang ist nicht mehr viel übrig geblieben. Jetzt bauen vor Ort mehr Ossis“, so Kurch. Eine Ökostadt aus dem Boden stampfen, das seien Träume von „besserverdienenden Grünen“. Pünktlich zur 750-Jahr-Feier des Örtchens Lychen soll die Fassade stehen, und dann planen die Ökostädter, Teile des benachbarten Sanatoriumsgeländes zu erwerben, um dort eine Siedlung aufzubauen, vielleicht sogar Landwirtschaft zu betreiben.

Siedlung Rosenthal: Angela Runge, Telefon (030) 916 33 08

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