: Anklage im Dolgenbrodt-Prozeß
■ Die Frankfurter Staatsanwältin beschuldigt die fünf Angeklagten, 1992 das Asylbewerberheim in Dolgenbrodt bei Berlin angezündet zu haben. Vier von ihnen haben Geständnisse angekündigt
Frankfurt/Oder (taz) – Der Dolgenbrodt-Prozeß am Frankfurter Landgericht ist gestern in Gang gekommen, nachdem die Verhandlung aus formellen Gründen bereits zweimal vertagt worden war. Staatsanwältin Petra Marx verlas die Anklageschrift und beschuldigte die fünf Angeklagten der gemeinschaftlichen und vorsätzlichen Brandstiftung. Außerdem warf sie ihnen Falschaussagen im Prozeß gegen den Brandstifter Silvio J. vor. Vier der Angeklagten haben Geständnisse angekündigt.
Der Blumenhändler Thomas O. aus Dolgenbrodt – wie ein alter Bekannter sitzt er auf der Anklagebank. Im November 1992 brannte in seinem südlich von Berlin gelegenen Dorf ein noch leerstehendes Asylbewerberheim ab. Nach Ansicht der Staatsanwältin hat Thomas O. die Brandstiftung in Auftrag gegeben. Er soll den bereits wegen Brandstiftung verurteilten Silvio J. mit 2.000 Mark entschädigt haben. Ein unauffälliger Typ, Mitte 30, Bauchansatz, rötlicher Bart im wässrigen Gesicht – wenn Thomas O. auf die Fragen des Richters Bachnik antwortet, tut er das mit gesenktem Blick und sieht aus, als ob er es schwer gehabt hätte im Leben. Er sei studierter Landschaftsgestalter, lebe seit 1982 in Dolgenbrodt, nach der Wende habe er sich als Blumenhändler selbständig gemacht. Verheiratet, zwei Kinder, das Geld reiche gerade so zum Leben. In seiner Freizeit arbeite er. Ein rechtschaffener Bürger, wie es scheint.
Nicht weniger brav geben sich die anderen Angeklagten aus Dolgenbrodt: der 25jährige Marko Sch., sein Stiefvater Jürgen Sch. und der 40jährige Elektromeister Gerd G. Allein der Angeklagte Renato P. zieht es vor zu schweigen. Der Oberskin aus Königs Wusterhausen wird bezichtigt, in der Nacht zum 2. November 1992 mindestens zwei Brandsätze in das leerstehende Asylbewerberheim geworfen zu haben.
Den mutmaßlichen Tathergang hat Staatsanwältin Petra Marx rekonstruiert: Um zwei Uhr nachts sind die Freunde Silvio J. und Renato P. in einem weißen Golf zum Asylbewerberheim gefahren. Renato P. überkletterte den Zaun mit Hilfe einer Holzbohle, die Thomas O. bereitgestellt hatte. Renato P. warf die Brandsätze, Silvio J. fuhr das Fluchtauto. Am Morgen danach holte Silvio J. beim Blumenhändler die 2.000 Mark Belohnung ab. Die Hälfte davon bekam sein Kumpel. Vom Schweigegeld in Höhe von 14.000 Mark, das der Blumenhändler Thomas O. dem Brandstifter Silvio J. im Verlauf seines Prozesses 1996 gezahlt haben soll, war gestern keine Rede mehr. Das Thema taucht vielleicht am Dienstag auf, wenn die Verhandlung fortgesetzt wird. Heike Spannagel
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