piwik no script img

Cooler Rechenkünstler

Gesichter der Großstadt: Uwe Klett, PDS-Bürgermeister in Hellersdorf, will künftig genausoviel Gelder ausgeben, wie der Bezirk für Kitas, Schulen und Grünanlagen nötig hat  ■ Von Kathi Seefeld

„Die Bürgerinnen und Bürger werden betrogen.“ Das sagt Uwe Klett, PDS-Bürgermeister und Finanzstadtrat von Hellersdorf. Während die Kommunalpolitiker stadtweit um ihre Haushalte zittern – schließlich müssen auch 1999 wieder alle sparen – bleibt der 38jährige absolut cool. Und weil Uwe Klett immer auch begründet, was Uwe Klett behauptet, fügt er hinzu: „Da bekommen die Bezirke jedes Jahr ihre Globalhaushalte vorgegeben. Die sagen: Das is' es an Geld, mehr is' nich'“, beschwert er sich. Aber auf welcher Basis diese Summen zustande gekommen sind, wie sie begründet sind, was damit bezahlt werden solle, das sage niemand. Deshalb versorgt er auch die Stadträte seiner Partei in anderen Bezirken mit „Zahlenlektüren“, gibt Hinweise, wie das Geld am besten auszugeben sei.

Der Mann ist offenkundig eine Zumutung für die Finanzhauptverwaltung. Verlangt er doch ernsthaft Begründungen, gar „Finanzierungsstandards“ im Zusammenhang mit dem, wie er sagt, „ohnehin fünf Jahre zu spät begonnenen Berliner Kassensturz.“ Das Problem ist: Klett weiß, wovon er spricht. Er ist promovierter Wirtschaftswissenschaftler, sammelte 1991 mit einem Universitätsstipendium im schottischen Glasgow Erfahrungen, hat allerdings wie die meisten, die im Osten heute auf kommunalpolitischer Ebene in Amt und Würden stehen, seine Lehrjahre vor allem in der DDR absolviert.

Was das Gespür für Geld und finanziell Machbares betrifft, ist dies jedoch unerheblich, stärken ihm die anderen Fraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung des 135.000 Einwohner zählenden Plattenbaubezirks doch den Rücken. Klett, der im Alter von 22 Jahren in die SED eingetreten war, habe sich bei seiner Antrittsrede für das zu DDR-Zeiten begangene Unrecht und sein „viel zu langes Schweigen“ entschuldigt, heißt es sogar anerkennend aus den Reihen der CDU. Vor drei Wochen hat Klett sogar geheiratet: eine Journalistin aus dem Westen, Pfarrerstochter mit SPD-Ausweis in der Tasche. Überhaupt, so sagen viele auch aus CDU und SPD: Der Bürgermeister sei anders als andere in der PDS.

Daß dies manchmal wohl stimmt und manchmal auch nicht, weiß Uwe Klett nur zu genau. Als 1996 die ersten gravierenden Sparauflagen auf den Bezirk zukamen, ging Hellersdorf parteiübergreifend auf die Barrikaden. Ein dennoch am Bedarf orientierter Haushalt wurde trotzig aufgestellt und trotzig eingereicht. Prompt kam die Haushaltssperre von oben. Der zweite Versuch: umverteilen im Rahmen des bezirklichen Globalhaushaltes. Doch so ganz ohne Hindernisse verläuft die damit verbundene Prioritätensetzung auch nicht. Nur die Bereiche zu finanzieren, die besonders der PDS wichtig erscheinen, führte unausweichlich dazu, daß anderes auf der Strecke blieb.

Während der Bürgermeister damit verblüffte, daß er im kinderreichsten Bezirk in den Jugendzentren Stellen schaffte und weitere schaffen will, forderte die SPD dagen, die baulichen Zustände an den Schulen zu verbessern. Dafür waren nämlich überhaupt keine Gelder eingeteilt worden von Bezirksbürgermeister Klett.

Jedoch wird er nicht beginnen, für den Haushalt 1999 ein bißchen hier und ein wenig da zu schnippeln, wie viele andere seiner Zunft. Die Hellersdorfer würden ihn zwar selbst dann noch wählen, glaubt der Kommunalpolitiker. Insgesamt schätzt Klett, könnte der PDS ein solches Verhalten jedoch heftig auf die Füße fallen. Immer wieder habe es geheißen, die PDS könne bloßgelegt werden. Für die Wahlkampfstrategen von SPD, Bündnisgrünen und CDU bedeute dies, so Klett, zu belegen, daß seine Partei nichts besser und auch nichts anders gemacht habe. Auf Landesebene, kritisiert Klett seine Genossen, könne dieser Eindruck schon manchmal entstehen. In den Bezirken geschehe dagegen eine ganze Menge.

Der PDS-Bürgermeister von Hellersdorf glaubt daran, es besser machen zu können. Bis zum Jahr 2.000 wird der Bezirk mit einer Million Mark jährlich vier „Soziale Angebotszentren“ finanzieren. Die Absicherung der Arbeit freier Träger für die soziale Betreuung der Bevölkerung wurde damit erstmals von einem Bezirk anerkannt und vertraglich verankert. Nicht unbeeindruckt gestand die Sprecherin der Liga der freien Wohlfahrtspflege, Angelika Rix, Hellersdorf habe endlich ein Zeichen gesetzt.

Kletts Herangehen an den Haushalt 1999 lautet daher: Ausgeben, was der Bezirk inhaltlich nötig hat. In den einzelnen Ressorts werden derzeit sogenannte Mindeststandards formuliert: Für Schulen, Grünflächen, Straßenunterhaltung. Hellersdorf Bürgermeister hat sich geschworen, keine Abstriche zuzulassen. „Den Politiker oder Verantwortlichen beim Landesschulamt möchte ich sehen, der uns dann erklärt, daß nicht in jedes Klassenzimmer eine Tafel gehört.“

Natürlich könne es geschehen, daß die Bezirkskassen im Laufe des nächsten Jahres irgendwann leer sind. „Dann wird wohl das Rathaus seine Miete nicht mehr aufbringen können ...“ Auf die Diskussion mit der Finanzverwaltung sei er schon jetzt gespannt, sagt Klett und blinzelt cool durch seine Brille.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen