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Wer einmal lügt, dem glaubt man kaum

■ Unter dem Namen des Hitler-Tagebücher-Fälschers Konrad Kujau sollte ein Buch erscheinen. Doch der bestreitet die Autorenschaft und nennt sich Opfer einer Fälschung

Dem kleinen Düsseldorfer Philosophie- und Kunstverlag Parerga flatterte vor etwa zwei Monaten unverhofft ein hitverdächtiges Manuskript ins Haus. Es handelte sich um die Kunsttheorie von keinem geringeren als Konrad Kujau, der seine gefälschten Hitler-Tagebücher einst dem Stern verkaufte und damit berühmt wurde. Der Parerga-Verlag griff zu und wollte das Buch dieser Tage unter dem Titel „Die Originalität der Fälschung“ in den Handel bringen. Schließlich knüpfe der „Meisterfälscher an den Coup an, den er in der sogenannten Stern-Affäre landen konnte“, erklärte Verlags-Chef Stefan Majetschak voller Vorfreude in einer Pressemitteilung. Habe Kujau damals den „Irrsinn des Originalitätskults“ vorgeführt, wende er sich nun mit einer „präzis argumentierenden Konkurserklärung“ gegen die ästhetische Theorie Walter Benjamins, die den Wert des Kunstwerks auf die Aura des Originals gründet.

Der Verleger jubelte nicht lange: Vergangenen Donnerstag erklärte der Fälscher in einer Nachmittagssendung des Deutschlandradios das unter seinem Namen erschienene Werk zur Fälschung: „Ich habe das Buch nie geschrieben.“ Tags drauf bereitete Kujaus Stuttgarter Anwalt eine Unterlassungserklärung für den Parerga-Verlag vor. Der soll den Autorennamen streichen, was praktisch bedeutet, die 3.000 Bücher wegzuwerfen. Andernfalls will Kujaus Anwalt vor Gericht.

Unterdessen erklärt der Fälscher selbst, das Buch sei nicht nur eine Fälschung, sondern dazu noch eine schlechte. „Diesen Mist hätte ich anders geschrieben.“ Die Informationen für das „dämlich geschriebene Buch“ habe der wirkliche Autor wohl aus seinen Fernsehauftritten und den Akten im Prozeß um die Hitler-Tagebücher recherchiert. Verleger Majetschak kontert, er habe den Meisterfälscher mehrfach in dessen Stuttgarter Galerie angerufen und mit ihm über das Manuskript gesprochen. Kujau bestreitet das: Er habe von dem Buch überhaupt erst gehört, als ihn die Redaktion des Deutschlandradios am Mittwoch abend um ein Interview bat. Vielleicht habe der Verlag ja ein Medienspektakel gebraucht, um auf sich aufmerksam zu machen.

Allerdings gibt es ein starkes Indiz dafür, daß Kujau selbst die Geschichte inszeniert. Der taz sagte er nämlich, er habe das Buch am Donnerstag morgen per Eilkurier aus seiner Lieblingsbuchhandlung in Stuttgart bekommen. Doch zu diesem Zeitpunkt war es noch gar nicht ausgeliefert: Dem zuständigen Leipziger Kommissions- und Großbuchhandel zufolge wurde auch kein Vorabexemplar herausgegeben. Dafür versichert Majetschak, an Kujaus Galerie ein Set von 20 Belegexemplaren geschickt zu haben.

Ist die Geschichte vom gefälschten Fälscher nicht ein bißchen zu schön, um wahr zu sein? Kujau nutzt jedenfalls die Gelegenheit, um für ein anderes ×uvre zu werben – ein Kochbuch, das im Herbst erscheinen soll. Als ihm die Reporterin verspricht, an dem Fall dranzubleiben, frohlockt es plötzlich im Telefonhörer: „Sehr gut! Sehr gut!“ Henrike Thomsen

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