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Von Ibiza aus Arbeitsplätze geschützt

■ Hamburger Bürgerschaft untersucht „Filzaffäre“: Zurückgetretene Senatorin Fischer-Menzel rechtfertigt Eingreifen zugunsten ihres Gatten

Hamburg (taz) – Ein Telefonanruf aus der Heimat vermieste Peter Fischer damals die Urlaubsstimmung. Einer seiner Mitarbeiter teilte dem Geschäftsführer der Hamburger Alida-Schmidt-Stiftung mit, daß die Sozialbehörde einen anderen Träger für einen Auftrag favorisiere. Es ging um ein Auftragsvolumen von 1,3 Millionen Mark. Der Mann war sauer, und neben ihm stand seine Frau Helgrit Fischer-Menzel. Beruf: Sozialsenatorin der Freien und Hansestadt Hamburg. Sie wußte, wie jetzt bekannt wurde, den Gatten zu beruhigen: „Das kann ich mir nicht vorstellen.“

Das war im Juli 1997 auf Ibiza. Anfang März diesen Jahres trat die 49jährige Sozialdemokratin zurück, nachdem die taz über die Begünstigung ihres Ehemanns berichtet hatte. Der Rechnungshof hatte zwischenzeitlich bestätigt, daß die Ex-Senatorin mit ihrer Einflußnahme gegen das Sozialgesetz verstoßen hat. Nun versucht ein Untersuchungsausschuß, von den Hamburger Medien kurz „Filz-Ausschuß“ getauft, auch die Hintergründe der Vetternwirtschaft und SPD-Klüngeleien zu beleuchten. Die nunmehr zur einfachen SPD-Abgeordneten geschrumpfte Fischer-Menzel nahm im Blitzlichtgewittern auf dem Zeugenstuhl Platz. Viereinhalb Stunden lang wurde die Sozialdemokratin gelöchert. „Mir ist es immer nur darum gegangen, Hamburger Träger zu sichern und zu stützen“, rechtfertigt sich die Ex- Senatorin. „Ich war verblüfft und vielleicht auch verärgert, als ich hörte, daß sich die Behörde nicht an meine politische Vorgabe, Hamburger Arbeitsplätze zu sichern, gehalten hat.“ Denn ihre zuständigen Mitarbeiter hatten den günstigsten und besten Anbieter, eine Einrichtung des Guttempler-Hilfswerks in Schleswig- Holstein, bevorzugt.

Wie ging es dann weiter? wollte der Untersuchungausschuß wissen. Hat sie von Ibiza aus sofort die Behörde angerufen, um zu intervenieren? „Ich erinnere mich nicht“, so Fischer-Menzel. Später schränkte sie ein: „Ich habe während des Urlaubs bestimmt mal mit der Behörde telefoniert, mit meinem Vorzimmer oder so, aber nicht in dieser Sache, da bin ich ziemlich sicher.“ Mit ihrem Mann will sie nach dem Anruf nie wieder über dieses Thema gesprochen haben: „Wir hatten eine Absprache, Berufliches und Privates zu trennen.“ Drei Wochen später setzte die Senatorin das Thema auf die Tagesordnung der „kleinen S-Runde“ – ein Kreis hochrangiger Behördenmitarbeiter. Nicht wegen der Alida-Schmidt-Stiftung ihres Mannes, nein, nein, sondern wegen eines anderen in finanzielle Bedrängnis geratenen Hamburger Trägers. „Ich habe nicht im entferntesten daran gedacht, daß die Alida-Schmidt-Stiftung die Zusage kriegen soll – das war gar nicht meine Interessenslage.“

Fischer-Menzel fertigte einen handschriftlichen Vermerk zu der aus ihrer Sicht schlecht gelaufenen Auftragsvergabe an: „Ein deutliches Nein – so nicht – meinerseits!“ Die Behörde nahm die Zusage an das Guttempler-Hilfswerk zurück. Aber keiner wollte das heiße Eisen anfassen. Erst ein halbes Jahr später erhielt schließlich die Stiftung des Senatorinnengatten den Zuschlag. Da das Ehepaar Fischer- Menzel über Berufliches nicht sprach, will die Senatorin davon nicht gewußt haben. „Über die Zusage habe erst am 27. Februar 1998 erfahren“ – aus der Zeitung. Am 1. März trat sie zurück.

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