: Frauen sind Spitze! Oder?
Erstaunlich viele Frauen sitzen inzwischen auf hohen Posten im öffentlichen Dienst. Männerforscher befragten Mitarbeiter zweier Senatsverwaltungen. Professor Peter Grottian: Wir brauchen neue Arbeitszeitmodelle ■ Von Ute Scheub
Auf den Stellen des höheren und gehobenen öffentlichen Dienstes haben sich die Berliner Frauen einen spektakulär hohen Anteil von 53 Prozent erobert. Gibt es den „Backlash“ – das Zurückschlagen der Männer auf die eroberten Terrains der Frauenbewegung –, den die US-Publizistin Susan Falludi entdeckte, also gar nicht? Falludis Diagnose sei „zu martialisch“, befand Peter Grottian, Politikprofessor und Spezialist für den öffentlichen Dienst, gestern. Der Machterhalt der Männer funktioniere „viel lautloser und differenzierter“. Die Männerforscher Ralf Puchert und Stephan Höyng stützten seine These, indem sie die Ergebnisse ihrer Untersuchung zweier Senatsverwaltungen vorstellten. Dort stießen sie auf „eine männliche Arbeits- und Organisationskultur, die geräuschlos und ganz selbstverständlich das Gleichstellungsgesetz kleinarbeitet und fast bedeutungslos macht“.
Insgesamt ist der Frauenanteil im Landesdienst von 1988 bis 1996 von 45 auf 55 Prozent gestiegen. Das dürfte in anderen Städten ähnlich aussehen. Erstaunlich ist jedoch, wieviel Frauen inzwischen auf gehobenen, hohen und höchsten Posten sitzen. Bei den BeamtInnen des gehobenen Dienstes steigerte sich der weibliche Anteil von 46 Prozent (1992) auf 52 Prozent (1996), bei den Angestellten von 51 auf 68 Prozent. Ein ähnliches Bild ergibt sich für den höheren Dienst: 1992 gab es 21 Prozent Beamtinnen, 1996 35 Prozent, die weiblichen Angestellten vermehrten sich von 38 auf 43 Prozent. Selbst auf den 123 bestbezahlten Führungspositionen sitzen inzwischen 17,1 Prozent Frauen. Mit diesen Zahlen liegt Berlin nach einer Untersuchung von Gabriele Steckmeister mit großem Abstand vor anderen Städten wie etwa Düsseldorf, Stuttgart oder Wiesbaden.
Zumindest für Berlins Landesdienst ist also der gängige feministische Verdacht widerlegt, daß Frauen in Krisenzeiten an den Rand gedrängt werden. Woher rührt nun diese erstaunliche Entwicklung? Aus der besonderen Konstellation im Osten, sagt Grottian. Beim Umbau der öffentlichen Dienstleistungen nach der Wende „schieden überproportional viele Männer aus“, das „traditionelle Männeraufrückverfahren“ sei massiv gestört worden. Plötzlich konnten Frauen die freiwerdenden Stellen besetzen. Vor allem in den Senatsverwaltungen für Justiz, für Frauen und Arbeit, für Gesundheit und Jugend. Die frühere Justizsenatorin Jutta Limbach habe sich bei der Frauenförderung besonders hervorgetan und Beförderunglisten mit zu wenigen Frauennamen zur Überarbeitung zurückgegeben, so Grottian. In den Senatsverwaltungen für Verkehr, Bauen und Inneres sei der Frauenanteil hingegen „nach wie vor relativ bedeutungslos“.
Wie kommt Frauenförderung bei den Männern an? Um das herauszufinden, führten die Sozialwissenschafler Höyng und Puchert Tiefeninterviews mit 50 männlichen Mitarbeitern der Senatsverwaltungen für Arbeit und Frauen sowie für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Überraschendes Ergebnis: Die Befragten beurteilten Gleichstellung durchgängig positiv, es fand sich kein einziger Gegner von Frauenförderung. Aber es fanden sich zahlreiche Männer, die die Diskriminierung von Frauen in ihrem Arbeitsumfeld schlicht negierten. „Interessengeleitete Nichtwahrnehmung“ nannten die Forscher dieses Phänomen. Ergebnis laut Puchert: „Eine Kultur, wo Männer gar nichts mehr dafür tun müssen, daß Frauen an den Rand gedrängt werden.“ Zudem gebe es nach wie vor „Männerbünde in modernem Gewand“, die den Aufstieg von Frauen verhinderten. Wie kann diese Männerkultur verändert werden? Über eine Reduzierung der Arbeitszeit von Männern im Zuge der Verwaltungsreform, schlagen die Forscher vor. Ihr positives Musterbeispiel fanden sie in einer Gruppe von je zehn Frauen und Männern, die ihre Arbeitszeit aus Solidarität mit einer Kollegin vermindert hatten und ihre neuen Freizeitmöglichkeiten nicht mehr missen wollten.
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