Schiffbrüchige Kühe

■ Von der hohen See ins Nirwana: Im Waldau-Theater zeigten die AbsolventInnen der Schauspielschule einem tobenden Publikum Tierisches und Schwergewichtiges

Am Waldau-Theater gibt es eine Schauspielschule, die ihre AbsolventInnen vor aller Öffentlichkeit zur letzten Prüfung vorlädt. Allemal ein schwieriges Unterfangen, bildet doch das gesamte Equipement des Waldau Theaters schon für sich eine Bühne mit strenger Neigung ins Absurde. Ein bißchen kleinstädtisches Ohnsorg, ein bißchen großstädtische Schulbühne, charmant vor allem – vom Logo bis zum Gestühl – in der Weigerung, irgendetwas mit dieser Welt gemein zu haben, tendiert das Haus an der Waller Heerstraße weit mehr zur guten, alten Zirkusmenagerie als zu einer modernen Schauspielschule.

Mag sein, daß es dieses Umfeld ist, das solch irre Ideen produziert, aus Slawomir Mrozeks drei Schiffbrüchigen „Auf hoher See“ drei schiffbrüchige Kühe zu machen. Er habe Mrozeks Parabel auf den Stalinismus fabulös zugespitzt, begründete Jürgen Müller-Othzen, der Schauspiel-Lehrer an der Waldau-Schule, seine Entscheidung: Jede individuelle Kenntlichkeit der drei Floßbewohner und ihrer Auseinandersetzung um die Freiheit von Fressen und Gefressenwerden sollte vermieden werden. So muhten Antje Klattenhoff und Peter Allmendinger auf der Probebühne ihrer Abschlußprüfung denn auch gutwillig und mit viel malmendem Mienenspiel hinter angedeuteten Kuhvisagen ihre Rollen runter: Im infamen Unternehmen, ihre Mitkuh im Boot, Gesa Kastendieck, mit der Macht des letzten Arguments auf die Rolle des Gefressen-Werdens festzulegen. Tiefsinn als doofer Klamauk, wenn Gesa Kastendieck nicht eine junge Schauspielerin wäre, die die wunderbare Fähigkeit zu besitzen scheint, sowieso nur immer sich selbst zu spielen. So ein Jutta-Lampe-Typus, die man noch auf einem Schwein durch die Manege reiten lassen könnte, und keiner käme auf die Idee sie auszulachen. So wurde selbst diese Inszenierung noch zu einer freudigen Angelegenheit.

Was es für die SchauspielschülerInnen, die an diesem Samstag ihre dreijährige Ausbildung beendeten, bedeutet, in die berufliche Freiheit entlassen zu sein, zeigte zuvor Martin Gresselmeyer mit Gabriel Baryllis Monolog „Im Mittelpunkt“. Mit seinem Auftritt als abgehalfterter Schauspieler, der vor einer imaginären Jury sein klassisches Repertoire abspielt und vor dem schweigenden Publikum langsam ins Nirwana der eigenen Lebensgeschichte abdriftet, trieb der gewichtige Absolvent der Waldau-Schule die simulative Logik seiner Prüfungssituation auf die Spitze. Und das zahlreiche Publikum zu trampelnden Begeisterungsstürmen. Ein Schauspieler, der nicht nur auf Grund seiner Figur auf die komische Rolle festgelegt ist, und der seine tragischen Einlagen von Ayschilos bis Shakespeare so unsäglich schlecht spielte, wie seine Rolle als „vorsprechender Schauspieler“ es ihm zuschrieb. Schlußwort im Namen aller vier: „Vielleicht komme ich als Schauspieler wieder, und dann fängt alles von vorne an.“ ritz