Der Funk-Onkel

Das Jazz-Highlight: Herbie Hancock hat seine Headhunters reformiert  ■ von Christian Buß

Manchmal geht er ein bißchen zu weit, und zwar in beide Richtungen. Herbie Hancocks Verdienste um die Avantgarde sind unbestritten, aber seine Faszination für das große Entertainment kann ebenfalls nicht geleugnet werden. Und welcher Jazz-Musiker kann sich schon in einem Apparat wie MTV behaupten, wo das Video zu Hancocks „Rockit“ 1983 rauf- und runtergespielt wurde? Vor HipHop-Kultur und neuen Medien hatte der Mann, der eigentlich nur Elektrotechnik studieren wollte, aber in ganz jungen Jahren auf Drängen von Donald Byrd gleich für Blue Note sein erstes eigenes Album aufgenommen hat, erfreulicherweise keine Berührungsängste. Die hätte man ihm allerdings vor zwei Jahren gewünscht, als er auf The New Standard olle und nicht ganz so olle Kamellen aus Rock und Pop, von Nirvana und Beatles also, für den Jazz aufgeputzt hat.

Nein, das war nichts, und deshalb ist es nicht verwunderlich, daß der inzwischen 58jährige mit seinem aktuellen Projekt, den reanimierten Headhunters, in seine vielleicht kreativste Zeit zurückgeht, in die frühen Siebziger nämlich. Im Grunde genommen waren Hancock und sein Mentor Miles Davis, der ja ähnlich schillernd zwischen radikaler Kunst und Showmanship wieselte, damals die einzigen, die Ernst machten mit der Elektrisierung des Jazz. 1969 formierte Hancock sein Ensemble Mwandishi, mit dem er Funk-Akkorde gleichsam an der Grenze zur tonalen Atomisierung spielte. Nach drei Alben mit dem Sextett trieb er das gewagte Spielchen noch weiter und veröffentlichte das Science-fiction-Werk Sextant, auf dem seine Fähigkeiten als Elektrotechniker zum Einsatz kamen: Die elektronisch gebrochenen Rhythmen und Sounds standen Krautrock näher als Soul. Nicht gerade ein gutes Verkaufsargument, weshalb Hancock wenig später eben die Headhunters formierte, deren Jazzfunk mehr dem Pop-Appeal der Zeit entsprach. Die Single „Chameleon“ schaffte es direkt in die US-Charts.

Die Headhunters anno 1998 geben sich ebenfalls nicht als berührungsängstliche Jazz-Akademiker. Eher als freundliche Onkels, die es noch immer drauf haben und es den Retro-Funk-Jungspunden noch einmal zeigen wollen. Auf ihrem Comeback Return Of The Headhunters, das nächste Woche in die Läden kommt, wirken ein paar illustre Gestalten aus der jüngeren schwarzen Musikszene mit. Neben N'Dea Davenport, die früher bei den Brand New Heavies sang, ist auch Trevant Hardson vom HipHop-Ensemble The Pharcyde dabei. Der Tastenmann selbst tritt auf dem Album, das zugleich die erste Veröffentlichung seines neugegründeten Labels Hancock Records darstellt, eher als Arrangeur und spiritual advisor auf – nur bei der Hälfte der Komposition spielt er mit. Was ihn nicht daran hindern wird, beim Konzert in der Fabrik dann trotzdem alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Und das ist ja auch ganz gut so, schon weil Wüterich Hancock gern mal das erste Gebot des Funk verletzt, das da lautet: „Du sollst keine schlechte Laune haben.“ Eine der spannendsten Angelegenheiten dieses Jazz-Sommers.

Di, 30. Juni, 21 Uhr, Fabrik