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Biographien spielen

■ Das Nachwuchsfestival Die Wüste lebt! in den Kammerspielen

Man muß kein großer Botaniker sein, um zu sehen, daß Die Wüste lebt! eine glatte Untertreibung ist. Als das „Festival junger Regisseure und Schauspieler“ vor drei Jahren von der Uni Hamburg und den Hamburger Kammerspielen initiiert wurde, mag die Situation für den Hamburger Theaternachwuchs noch ziemlich öde gewesen sein. Mittlerweile jedoch hat nicht nur der Kreativ-Dschungel gewuchert, sondern es wurden auch gehbare Wege geschlagen. Nicht nur, daß sich neben dem internationalen Newcomer-Festival Junge Hunde im Mai auf Kampnagel mit Die Wüste lebt! ein zweites Festival in Hamburg etabliert hat, auch den Weg aus der Hansestadt hinaus haben sich die jungen RegisseurInnen durch Qualitätsarbeit erschlossen. Von den sechs TheatermacherInnen, die zu dem in diesem Jahr erstmals ausgerichteten Regie-Wettbewerb der renommierten Wiener Festwochen eingeladen wurden, kamen drei vom hiesigen Institut für Theater, Musik und Film. Ein beachtlicher Erfolg auch für den vor zehn Jahren eingerichteten Regiestudiengang, den viele mit dem Argument, lebendige Kunst ließe sich nicht studieren, für überflüssig erachteten.

Der Hamburger Ansatz, keinen speziellen Ansatz zu haben, sondern über wechselnde Lehraufträge und die damit verbundene Fluktuation eine echte Vielfalt der Lehre zu garantieren, hat sich bezahlt gemacht. Die neun Regieschüler, die vom 25. Juni bis zum 4. Juli ihre Arbeiten in den Kammerspielen vorstellen, werden höchst unterschiedliche Inszenierungen zeigen.

„Ich habe im Käthchen eine Resonanz auf meine eigene Biographie gefunden“, erklärt René Harder. Auch wenn es eher nach Kitschfilm klingt: Der 28jährige träumte heftig von einer Frau, die nicht einmal seinen Namen kannte, doch vier Wochen später waren beide verheiratet und neun Monate später ein Kind geboren. Seine Inszenierung Die Feuerprobe nach Kleist will „die Kraft menschlicher Träume“ ins Zentrum stellen. Weniger dramatisch spiegelt sich Anja Gronaus Werdegang in PROJEKTion nach T.i.d.N.: Die studierte Malerin denkt „bis heute eher in Bildern. Ich zeige Super-8-Projektionen, und dazwischen bewegt sich die Geschichte. Oder umgekehrt.“ Der Bosnier Branco Simic hat seine Kriegserfahrung in Becketts apokalyptisches Endspiel getragen, Nora Somaini ihre Ausbildung als Schauspielerin und Kampfsportlerin. Anatomie Titus Fall of Rome läßt sie in der Tief-garage der Staatsbibliothek spielen - nicht nur, „weil das der einzige Ort ist, wo ich Titus sehen möchte“, sondern auch der einzige, wo man ihn hört, wie sie ihn sieht: aggressiv und im Kampf mit der Sprache.

Der Türke Telat Yurtsever zeigt mit Wilde Liebe Sam Shepards alltägliche Geschichten um Verführung und Unterwerfung als deutsche Erstaufführung, Christoph Diem versucht Brechts Fatzer so unvollständig zu lassen, wie der Meister es verfaßt hat: „Es gibt keine Antworten.“ Mit besonderer Spannung dürfen Crash Days von Ute Rauwald und Werther! von Nicolas Stemann erwartet werden: Nicolas Stemann zeigt „den berühmtesten Egotrip der deutschen Literatur“ als Solo für Schauspieler, Mikrophon und Videobeamer, Ute Rauwald gewann mit der letzten Fassung ihres Geschwister-Projekts gerade den Wiener Regie-Wettbewerb.

Christiane Kühl

Infos/Karten: 040/41 33 4444

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