: Nur nicht zu viel Jubel
■ Applaus gebührt dem Gastgeber: Wie die KP-Führung Clinton dem Volk präsentiert
In der alten Kaiserhauptstadt Xian, die mit ihrer traditionsverbundenen Musik- und Schriftstellerszene immer noch der Amerikanisierung trotzt, setzt Bill Clinton heute als erster US-Präsident seit zehn Jahren seinen Fuß auf chinesischen Boden. Dabei gebührt ihm eine Rolle, die Amerikanern schon immer behagt: Als Pionier auf fast allen Feldern, die er betritt, wird Clinton neun Tage durch China touren – von Xian über Peking bis nach Shanghai und Hongkong.
So ist neu, wie der Besuch in China vermarktet wird: Auch wenn sich noch in letzter Minute Zensoren einschleichen könnten, sind Live-Übertragungen im chinesischen Fernsehen von allen Großauftritten des amerikanischen Präsidenten geplant. Zuvor hatte sich noch kein westliches Staatsoberhaupt direkt an das chinesische Volk wenden können.
Gleichwohl ist das Publikum, das Clinton etwa zu seiner mit Spannung erwarteten Rede vor den Studenten der Peking-Universität erwartet, sorgfältig ausgewählt. Zu viel Jubel an der Adresse, an der im Frühjahr 1989 der letzte große Aufstand gegen die Kommunistische Partei geprobt wurde, wäre den Veranstaltern peinlich. Keinesfalls darf es zu einer unvorbereiteten Szene kommen, in der Clinton mehr Applaus erhält wie sein Gastgeber Jiang.
Wie ernst es die Chinesen mit ihrer neu entdeckten Freundschaft zu Amerika meinen, zeigen die Propaganda-Anstrengungen: In den Medien wird bereits seit Wochen das alte Weltkriegsbündnis mit den USA gegen Japan beschworen. Aufzeichnungen von dem zurückliegenden Staatsbesuch Jiangs in den USA wurden sogar als Kinofilm verbreitet. Das Fernsehen wiederholt indessen immer wieder die Szene, wo Jiang vor der Küste von Hawaii im Pazifik schwimmt. Zuvor erlangte Maos Bad im Gelben Fluß symbolischen Wert.
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