Die erste Reise eines US-Präsidenten nach China seit neun Jahren ist für Peking der Beleg einer ebenbürtigen Partnerschaft. Für Bill Clinton sind die Kommunisten trotz der innenpolitischen Kritik an seiner Visite die wichtigsten Verbündeten

Die erste Reise eines US-Präsidenten nach China seit neun Jahren ist für Peking der Beleg einer ebenbürtigen Partnerschaft. Für Bill Clinton sind die Kommunisten trotz der innenpolitischen Kritik an seiner Visite die wichtigsten Verbündeten bei der Wahrung der US-Interessen in Asien

Ein Besucher, der strategisch kommt

Als sich Bill Clinton und Jiang Zemin während ihres Treffens in Washington im Oktober vergangenen Jahres einem öffentlichen Schlagabtausch in Sachen Menschenrechte hingaben, sprach die New York Times von einem „Fehlschlag“, wie er in den Annalen der Gipfeltreffen unüblich sei. Doch nur sieben Monate später steht der Gegenbesuch Clintons in Peking bevor, und dieses Treffen gilt als Höhepunkt der amerikanisch-chinesischen Beziehungen schlechthin. So beweglich ist die Politik der Großmächte nach dem Ende des Kalten Krieges.

Längst erscheint Jiang in Amerika als Staatsmann, der seine anfängliche Skepsis gegenüber den USA überwunden und die Beziehungen beider Länder wieder in den Mittelpunkt der chinesischen Außenpolitik gestellt hat. Umgekehrt ist auch Clintons Ansehen in China gestiegen: Die Tatsache, daß sein Besuch früher als erwartet stattfindet und trotz harter Kritik aus dem US-Kongreß nie zur Debatte stand, hat die chinesischen Außenpolitiker in ihrem Glauben bestärkt, den Amerikanern ebenbürtiger Partner zu sein. Nun soll Clinton – im Gegensatz zu denen, die immer nur über Tibet und Menschenrechte reden – als ein „Freund Chinas“ mit allen Ehren empfangen werden.

Die eigentliche Annäherung zwischen den beiden Weltmächten fand jedoch schon vorher statt. Die Atombombentests in Südasien und die sich zuspitzende Währungskrise in Japan zwangen Washington und Peking zur Zusammenarbeit. Plötzlich deutete sich an, daß die „strategische Partnerschaft“ beider Länder, die auf dem Washingtoner Gipfel erfunden, doch damals noch als Papiertiger abgetan wurde, reale Handlungsoptionen beinhaltete: So etwa als die Präsidenten an der neu installierten Hotline ihr gemeinsames Vorgehen gegen die Atomambitionen Indiens und Pakistans berieten oder US-Finanzminister Robert Rubin in der vergangenen Woche dem chinesischen Drängen nachgab, Stützungsmaßnahmen für den fallenden japanischen Yen einzuleiten. Zudem wurde die gemeinsame Überwachung des Krisenherds Nord-Korea verstärkt.

Im Zentrum der ungewöhnlichen Koordinierungsversuche zwischen USA und China steht die in Ausmaß und Schärfe weiterhin ungedämmte Finanz- und Wirtschaftskrise in Asien. In ihr haben China und Amerika wie einst in der Sowjetunion einen Gegner gefunden, der gemeinsam effektiver bekämpft werde kann. Beispiel Währungspolitik: „China ist bisher eine Insel der Stabilität in Asien“, würdigt Rubin die Pekinger Entscheidung, den Abwertungen der asiatischen Währungen nicht zu folgen und an einem stabilen chinesischen Yuan festzuhalten.

Peking verfügt damit erstmals über einen Machthebel, mit dem es sogar die USA unter Druck setzen kann: Denn es steht außer Frage, daß jede Yuan-Abwertung derzeit eine weitere Abwertungsrunde in ganz Asien auslösen und damit die Volkswirtschaften der Region in nicht absehbare Tiefen reißen würde. Die asiatische Krise könnte dann auch Amerika jene ein oder zwei Wachstumsprozente kosten, die Clinton braucht, um seine Amtszeit erfolgreich zu Ende zu bringen.

Nichts anderes erklärt übrigens die wild gewordene Kritik Washingtons an der Finanzpolitik Japans, das sich nach wie vor aus innenpolitischen Gründen einer Radikalkur seines Wirtschaftssystem widersetzt und so die internationalen Finanzmärkte gefährdet. Indessen addieren sich die japanische Sturheit und das chinesische Entgegenkommen zu einen schleichenden Paradigmenwechsel in der amerikanischen Außenpolitik: Der Klassenfeind China wirkt heute wie der Verbündete, das alliierte Japan wie der Gegner der USA.

Über das alles freut sich die chinesische Regierung, allen voran Jiang Zemin, der sich als Initiator des neuen chinesisch-amerikanischen Zweckbündnisses versteht. Doch wie lange das Einverständnis währt, bleibt abzuwarten. Keinesfalls darf Clinton den Eindruck entstehen lassen, nicht alleiniger Kapitän an Bord sein. Zwar räumt Finanzminister Rubin ein, daß China „irgendwann im nächsten Jahrhundert die größte Wirtschaft der Welt“ sein werde. Doch weitere strategische Zugeständnisse gibt es nicht: Getrost darf man die in Washington geplante „Versöhnung“ mit dem Iran als Versuch der Amerikaner werten, den dortigen Ölinteressen Chinas zuvorzukommen. Auch in der umstrittenen Satellitentechnik wird nichts geschenkt: Denn es bleibt das strategische Ziel der USA, China dem Kapitalismus zu öffnen und damit das kommunistische Regime zu unterhöhlen.

Dagegen unterhält die chinesische Regierung langfristig keine vergleichbare Option: Auch Teilerfolge wie in der jetzigen Währungskrise können nicht darüber hinwegtäuschen, daß die KPCh „vermutlich auf der falschen Seite der Geschichte steht“, wie Clinton vor einem halben Jahr seinem Gast Jiang in Washington bescheinigte. Georg Blume, Peking