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AnalyseHolbrookes harter Job

■ Ohne eine Einbeziehung des UCK sind Gespräche über Kosovo sinnlos

Als Ende Mai serbische Soldaten die Stadt Decani in Brand steckten und über 50.000 Menschen aus dem Kosovo vertrieben, wuchs in den westlichen Hauptstädten die Bereitschaft, militärisch zu intervenieren. Die erneuten ethnischen Säuberungen forderten eine entschiedene und geschlossene Antwort heraus. Die Angst vor einer neuen Massenflucht von Kosovo-Albanern verstärkte diese Haltung. Mit der Androhung von Luftangriffen sollte der jugoslawische Präsident Slobodan Milošević eingeschüchtert werden.

Noch ist diese Drohung nicht vom Tisch. Doch die Koordinaten für eine derart weitreichende Entscheidung haben sich in den letzten Wochen dramatisch verändert. Mit dem Anwachsen der Kosovo Befreiungsarmee (UCK), die nun in der Lage ist, ganze Landstriche zu kontrollieren und neue Fronten aufzubauen, ist militärisch wie politisch eine verwirrende Lage entstanden. Noch haben die serbischen Militärs nicht alle ihre Trümpfe ausgespielt. Noch sind sie in der Lage, mit Panzern und Artillerie ganze Landstriche zu zerstören oder zu entvölkern. Mit der Verminung des größten Teils der Grenzübergänge nach Albanien sind den Kosovo-Albanern wichtige Verbindungen ins Ausland abgeschnitten. In den großen Städten wie Priština, Pec und Djakovica herrscht nach wie vor serbische Polizei über die Albaner.

Doch die UCK ist plötzlich in der Lage, die serbischen Streitkräfte selbst zu bedrohen. Ihre Gegenstrategie, immer mehr Staßenverbindungen zu unterbrechen und damit die verstreut operierenden serbischen Einheiten vom Nachschub abzuschneiden, wird jeden Tag erfolgreicher. Die serbischen Streitkräfte sind nun gezwungen, Hunderte Soldaten an wichtigen Versorgungsstraßen zu postieren.

Die militärischen Erfolge der UCK haben das politische Gefüge der Kosovo-Albaner erschüttert. Der für friedlichen Ausgleich eintretende Präsident der Kosovo-Albaner, Ibrahim Rugova, kann die UCK offenbar nicht kontrollieren. Ohne sie aber sind Verhandlungen sinnlos. Da ihre Führungsstruktur im dunkeln bleibt, blieben alle Anstrengungen der internationalen Diplomatie, sie an den Verhandlungstisch zu bringen, bisher erfolglos. Zudem bleibt unklar, welche Ziele die UCK verfolgt. Will sie die Unabhängigkeit oder die Vereinigung des Kosovo mit Albanien? Will sie die serbische Bevölkerung aus dem Kosovo vertreiben? Eine politische Lösung zu erzwingen – das wäre der Sinn einer Nato- Aktion – fällt der internationalen Gemeinschaft um so schwerer, als Jugoslawiens Präsident Milošević sich in Moskau Rückendeckung holen konnte. So wird es der US-Gesandte Richard Holbrooke schwer haben, der eigenen Regierung und der Nato tragfähige Vorschläge für eine Lösung des Kosovo-Konflikts zu präsentieren. Erich Rathfelder

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