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Polka, Pogo und die Pogues

■ Die Vorschau: „Thee Watzloves“ & „DM Bob“ und eine Romanze zwischen Flughafen und Funpunk

Guido Müller ist musikhistorisch alles andere als ein unbeschriebenes Blatt. Zu Blütezeiten von Punk und Dosenbier spielte er 1980 in verschiedenen Bands, bevor ein anderer Lowlander je von den Beatles gehört hatte. Seine Band „Versager“ war und ist ein wichtiger Teil der populären Folk-lore von Nordenham, Guidos Heimatstadt, und „Stinkebreit“ dürfen sich rühmen, nicht nur an der Küste die erste Funpunk-Band im satirischen Sinn gewesen zu sein.

Unvergessen ihre Hits wie „punk op de deel“ oder das „Tote Hosen-Medley mit zwei Akkorden“. Noch heute finden sich die Logos auf den Jacken heranwachsender Punker, die erst jetzt, durch die Sampler-Serie „Sicher gab es bessere Zeiten, aber dies waren die unseren“, auf ihre roots stoßen.

Guido ging aber nach Bremen, richtete sich ein spartanisches Kellerstudio ein, produzierte Bands wie die Kurzzeit-Legende „Selfpity Jesus“ oder „Die Auch“ und brachte die Ergebnisse auf dem eigenen Label „Crauts Recordings“ heraus. Kein Konzert, zu dessen Anfang Herr Müller nicht irgendwo auf einem Stuhl balanciert, um den besten Platz für sein legendäres, tragbares Vier-Spur-Gerät zu sichern. Ansonsten treibt er als DJ Guido Bolero sein Unwesen, legt jeden Mittwoch im „Heartbreak Hotel“ aus dem Kuriositäten-Kabinett seiner Plattensammlung auf und tanzt dazu auch auf dem Tresen, wenn es sein muß.

Die letzten Jahre war der Mann aber eher als Drummer der „Lowlander“ bekannt, jener Band, die so tat, als würde sie tatsächlich in der wünschenswertesten aller Zeiten leben, den Pionierjahren der wilden Beatmusik. Die „Lowlander“ haben auf sämtlichen Bühnen der Stadt gespielt und viele langweilige Parties aufgewertet. Trotzdem hatte sich das Quartett kürzlich aufgelöst. „Irgendwie bin ich auch zu alt für diese Musik“, gibt Guido zu. Er blieb nicht lange solo, und anno 97 traf er in einem Proberaum auf Silky Thoss, Künstlerin mit Londoner „Master of Fine Arts“-Diplom und Songschreiberin, die von 1989 bis 92 bei den „Budgets“ gespielt hat.

„Wir sahen uns an und wollten uns wiedertreffen – ohne die anderen Leute“, erinnert sich Silky, die beim nächsten Mal eine Quetschkommode und ein Dutzend Songs mitbrachte. „Eigentlich spielt Ole auch noch Mandoline, aber er kommt nie zu den Proben.“ Guido wurde ans Schlagzeug gesetzt, und ehe er wußte, was geschah, zog die Sache ihre Kreise. Da war dieses Duo auf einer Party am Güterbahnhof, Polkapunk oder so ähnlich, irgendwo zwischen Irland, Bayern, Country und Cajun, beste Bremer Band nach „Puckah!“, muß man gesehen haben usw. Erste Songs sind unter dem Band-Namen „Thee Watzloves“ in einer 50er-Auflage als Single zu einem von Silky's Kunstobjekten entstanden und fanden das Lob des befreundeten Jem Finer von den „Pogues“.

Der erste Auftritt zog sofort das Angebot des Weserlabels, eine Single zu machen, nach sich. Das erste Album soll aber beim „Lightning Beatman“-Label „Voodoo Rhythm“ erscheinen, und ein Track für die Oldenburger Elvis-Tribut-CD ist auch fertig. Bald will man nach Dublin, um dort bei Nigel Rolfe ins Studio zu gehen, neue Stücke zu schreiben und irgendwann auf Tour zu gehen. Eigentlich wollte Silky wieder zurück nach London, aber auf dem Flughafen in Frankfurt erwachte dann doch die alte Liebe, und sie hing sich an den Hörer, um Guido mitzuteilen, daß sie in Bremen bleiben würde. „Aber nicht wegen mir“, erwiderte dieser, charmant wie eh und je. „Ich muß schließlich auch arbeiten.“

Am Freitag treten „Thee Watzloves“ mit „DM Bob & The Deficits“ aus Hamburg auf. StErn

Konzert, heute, 26. Juni, 21 Uhr im Tower. „Thee Watzloves“ auch am 3. Juli in Hannover (Hochschule für Künste) und am 6. Juli in Hildesheim (Uni). Tapes und anderes von „Crauts Recordings“ unter Tel.: 344908 und nicht im Internet

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