: Droht das Chaos nach der Autonomie?
■ Scheitert die Hochschulreform an den „Eitelkeiten der Professoren“? Gemeinsame Lösungen sind Mangelware
Die Hochschulen sollen autonomer werden. Dieser Schritt in die relative Unabhängigkeit vom Staat soll nach der Änderung des Hochschulrahmengesetzes auch in den Ländergesetzen verankert werden. Wie diese Autonomie aber – etwa in Bremen – organisiert werden soll, darüber streiten sich zur Zeit die Gelehrten. Die taz Bremen hatte darum im Rahmen der Serie „Denken erlaubt“ Experten der Hochschule und der Uni Bremen, der Uni Oldenburg, des AStA der Hochschule Bremen sowie des Centrums für Hochschulentwicklung in Gütersloh zu einer Podiumsdiskussion eingeladen.
Hart umstritten waren dabei mehrere Modelle, wie Hochschulen künftig geleitet werden sollen. Gerd Syben, Professor an der Hochschule Bremen, sprach sich dabei gegen die aktuelle Machtposition der Rektoren über die Vergabe der freien Mittel der jeweiligen Hochschule aus. Dagegen fordert Syben gestärkte Fachbereiche. „Sonst führt der Rektor uns alle am Nasenring durch die Uni.“
Im Gegensatz dazu will Wilfried Müller die Position des Rektoratsmodells eher noch stärken. Nach Auffassung des Bremer Universitätskonrektors verstehen sich die Gremien aus den jeweiligen Fachbereichen lediglich als eigene Interessenvertretung. „Das führt zu einer absolut konservativen Haltung.“ Sozusagen Selbsterhalt auf Kosten der Hochschule, die sich selbst in ihrer Entwicklung bremst.
Zwei Positionen, die so weit aber nicht auseinander liegen, wenn man sich ein anderes Modell betrachtet, das Yorck Hener aus dem Planungsdezernat der Uni Oldenburg und Klaus Neuvians vom CHE vertreten. Vor allem Hener tritt vehement für den sogenannten Hochschulrat ein. Dieses Gremium soll über dem Rektor angesiedelt werden und wie ein Aufsichtsrat den Kurs der Hochschule bestimmen, die der Vorstandsvorsitzende Rektor dann umsetzt.
Syben hält dieses Konstrukt für „entweder völlig überflüssig oder hochgefährlich“. Laut Syben sitzen im Hochschulrat entweder „teure Leute mit Ahnung. Oder man macht es billig, dann führt dies zu Pfusch durch die Hochschulratsmitglieder, weil sie keine Ahnung haben.“ Er äußerte die Befürchtung, daß ein Hochschulrat demokratisch kaum zu legitimieren sei. Besetzt man ihn mit Vertretern aus der Wirtschaft, haben Fachbereiche wie Soziologie schlechte Karten, sagt Syben. So auch Müller, der gerade in Bremen vor einem Hochschulrat warnt: „Dann sitzen dort die bekannten Multifunktionäre – eine Katastrophe.“
Unerwartete Schützenhilfe erhielt Hener dann aus dem Publikum, von Albrecht Lampe, Kurator der privaten Fachhochschule Ottersberg. Auch er verficht eine radikale Stärkung des Rektors mit der entsprechenden Verantwortung und zusätzlich einem gewählten Hochschulrat. „Damit ist auch eine Kontrollinstanz vorhanden, die mich hoffentlich frühzeitig rausschmeißt, bevor ich zu viele Fehler mache.“ Die Hochschulangehörigen zeigten „zuwenig Risikobereitschaft. Es existiert eine gegenseitige Blockade in den Gremien.“
Und was halten die Studierenden von der anstehenden Reform? Annette Volkens, langjährige AStA-Vorsitzende der Hochschule, forderte vor allem mehr Demokratie und damit mehr Mitbestimmung für die Studierenden. „Dies darf aber nicht über Studiengebühren definiert werden, da diese auch kein Machtmittel sind.“ Die härteste Kritik kam wiederum aus dem Publikum. Eine Studentin aus Oldenburg bezeichnete diese als „Hort der persönlichen Eitelkeiten“, an denen jede Reform scheitere. „Auch ein Hochschulrat ist wieder eine reine Machtfrage.“
Festzuhalten bleibt, daß eine gemeinsame Reform-Haltung der Hochschulen in Bremen und umzu nicht vorhanden ist. Das heißt, eine Gemeinsamkeit gab es doch: In ungewohnter Selbstgeißelung wollen die Professoren sich künftig regelmäßig von den Studierenden bewerten lassen. Jens Tittmann
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