„Da hast du WM-Stimmung“

Unter den Festgenommenen von Lens: Frank Tomiczek alias DJ Hooligan. Hat der bekennende Schalke-Fan mitrandaliert oder nicht? BILD dir deine Meinung!  ■ Von Thomas Lötz

Frank Tomiczek ist einer der erfolgreichsten Techno-DJs und -Produzenten in Deutschland und Europa. Seine Platten verkaufen sich bis in den sechsstelligen Bereich, und von seiner zur letztjährigen Berliner Love Parade erschienenen Maxisingle „Meet Her At The Love Parade“ gingen allein in Deutschland über 250.000 verkaufte Exemplare über die Ladentheken. Seit Dienstag dieser Woche kann der 29jährige aus Bottrop sogar einen erhöhten Bekanntheitsgrad unter Leuten verzeichnen, die zwar keinen Einblick in das Jugendkulturphänomen Techno haben, dafür aber täglich ihren Kopf in die Bild-Zeitung stecken. Denn da erschien im Zusammenhang der Berichterstattung von den Krawallen deutscher Fußballrandaleure und dem versuchten Totschlag an dem französischen Polizisten David Neville im WM-Spielort Lens auch ein Bild von Frank Tomiczek. Glatze, nackter Oberkörper, Sonnenbrille, Schalke-Schal – das Idealbild des häßlichen deutschen Fußballschlägers rechtsradikaler Gesinnung. Bildunterzeile: „Auch dabei: Da Hool, ein in der Szene bekannter Wortführer der Hooligans“.

Da Hool oder DJ Hooligan, das sind die selbstgewählten und nicht unbedingt unproblematischen Künstlerpseudonyme von Frank Tomiczek. „Als ich angefangen habe, aufzulegen und Musik zu produzieren, haben mir Freunde den Namen DJ Hooligan verpaßt. Ich fand den cool, provokativ, bescheuert. Ich dachte damals allerdings nie, daß das mal in so ein negatives Licht gerückt werden kann“, sagt er heute. Mit drei Freunden war der bekennende Schalke-Fan am vergangenen Sonntag zum Spiel der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen Jugoslawien nach Lens gefahren, ohne Ticket. Die Hoolsche Erklärung für dieses Unterfangen zu verstehen, gelingt wahrscheinlich nur ähnlich irrational Begeisterten: „Es ist schon ein himmelweiter Unterschied, ob ich zu Hause vor dem Fernseher sitze oder da bin und das Spiel mit vielen deutschen Fans draußen vor dem Stadion auf einer Großbildleinwand gucke. Denn da hast du WM- Stimmung, ich freue mich wirklich jahrelang auf die WM.“ Die ihm vorgeworfene Beteiligung an den Krawallen und ihren schrecklichen Folge weist der DJ schroff zurück: „Ich distanziere mich komplett von den Idioten, die da mit Hitlergruß und Naziparolen rumgelaufen sind. Und ich distanziere mich von den Leuten, die Autos umschmeißen und Leute halb totprügeln.“

Es ist beileibe nicht so, daß Hooligan, der DJ, nicht wüßte, wovon er da spricht. Frank Tomiczek hat durchaus auch seine Erfahrungen in der gefürchteten Gelsenkirchener Hool-Szene der achtziger Jahre gemacht. „Früher“, so erklärt er, „war ich mal ein Sympathisant dieser Leute. Ich war kein radikaler Draufschläger, war nie vorne mit dabei. Aber das ist abgehakt.“ Abgehakt? Die Hamburger Morgenpost druckte ein anderes, ungleich eindeutiger scheinendes Motiv, das Tomiczek zeigt, wie er in Lens von vier französischen Polizisten abgeführt wird. „Dieses Foto ist ganz lange nach den Ausschreitungen entstanden und hat damit absolut nichts zu tun“, sagt Tomiczek. Lange nach Spielschluß habe er mit seinen Freunden an ihrem Auto gestanden, Bier getrunken und ein bißchen Fußball gespielt. Plötzlich seien Polizisten angekommen, hätten ihn abgeführt, eine Alkoholprobe genommen, „und nach zehn Minuten konnte ich wieder gehen“.

Klingt geradezu wie die verharmlosende Ausrede eines Involvierten. Bei genauerer Betrachtung des publizierten Bildes jedoch erkennt man, daß die abgebildeten Polizisten normale Uniform tragen und nicht mit Helmen, Brust- und Beinschonern ausgestattet sind wie die Sondereinheiten zur Bekämpfung herumrasender Vandalen. Und schließlich beteuert Tomiczek: „Wenn ich was verbrochen hätte, würde ich jetzt nicht in Deutschland sitzen, sondern in Frankreich hinter Gittern in die Sonne schauen.“ Mögliche Hinweise auf Unschuld, aber Beweise? Die Hamburger Morgenpost legte textlich nach. DJ Hooligan sei ein aggressiver Plattenaufleger, der im Hamburger Techno-Club Tunnel Hausverbot hätte und wegen der Beteiligung an der Randale von Lens eigens einen Gig auf Mallorca abgesagt hätte.

„Stimmt alles überhaupt nicht“, entgegnet der DJ. Das Porträt, das Bild abdruckte, stammt mit großer Wahrscheinlichkeit nicht von einem Fotoreporter, sondern, so Tomiczek, „von einem Mitläufer, der das verkaufen und sich aufspielen wollte“. An einen Profifotografen, der ihn in der eingangs beschriebenen Pose abgelichtet hat, kann er sich nicht erinnern. Einer Meldung der Agentur AFP zufolge erwarb die Bild-Zeitung zwei Filme mit Aufnahmen des brutalen Angriffs deutscher Hooligans auf den französischen Polizisten exklusiv von einem 17jährigen, angeblich mit der deutschen Fußballkrawallszene sympathisierenden Österreicher, zum Pauschalpreis von 3.500 Mark.

Die deutsche Musikszene schenkt den leidenschaftlich vorgetragenen Argumenten von Frank Tomiczek Beachtung und Airplay: MTV und der Hörfunksender Eins Live strahlten Interviews mit Hooligan aus. Radio N- Joy nahm die aktuelle Hitsingle „Hypochonda“ nach einem zwischenzeitlichen Bann wieder ins Programm auf. Da Hool: „Ich bin froh, daß die Leute, mit denen ich zusammenarbeite, mir eine Chance geben.“