: Kyoto-Protokoll mit Schlupflöchern
■ Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung legt Sondergutachten zum Klimaschutz vor: Abkommen reizt zur Rodung von Urwäldern
Berlin (taz) – Das Kyoto-Protokoll zur Verringerung des Treibhausgas-Ausstoßes ist kein Glanzstück, weil es in weiten Teilen Schlupflöcher und Mißbrauchsmöglichkeiten offenhält. Zu diesem Ergebnis, das die Kritik von Naturschutz- und Umweltverbänden bestätigt, kommt der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) in einem am Freitag in Bonn vorgelegten Sondergutachten. Besonders leicht getrickst werden könne bei den nationalen Kohlenstoffbilanzen, auf deren Basis errechnet wird, wie weit jedes Land seine CO2-Emissionen verringern muß.
In Kyoto waren erstmals rechtsverbindliche Reduktionsverpflichtungen beschlossen worden. Die Industriestaaten sollen bis zum Zeitraum 2008 bis 2012 mindestens fünf Prozent weniger Treibhausgase produzieren als 1990. Allerdings können dabei sowohl biologische Kohlendioxid-Quellen wie Brandrodungen und andere Arten der Waldvernichtung verrechnet werden wie auch sogenannte Senken, beispielsweise neue Wälder, die das Kohlendioxid binden.
Eine solche Anrechnung hält der WBGU grundsätzlich für schwierig. Schließlich könne niemand die Wirkung vor allem der Senken voraussagen. Schon bei geringfügigen Klimaänderungen könnten sie ihre Fähigkeit zur Aufnahme von CO2 verlieren und sich sogar zu Erzeugern wandeln. Das Kyotoer Protokoll trage dem nicht Rechnung und biete auch keine klare Definition. Das mache es reduktionsunwilligen Ländern leicht, die Statistik zu manipulieren. Hinzu komme die lange Frist: Da die Reduktionen erst 2008 greifen müssen, könnte ein Staat heute hingehen, seinen wertvollen Urwald roden, anschließend wieder neue Bäume anpflanzen – und sich das Ergebnis in zehn Jahren als prima CO2-Senke anrechnen lassen. Vorschlag des Beirats: Wiederaufforstungen dürfen nur mitgerechnet werden, wenn sie auf Flächen erfolgen, die 1990 noch keinen Wald trugen. bw
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