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■ Nebensachen aus WarschauSündenbilanz per Mausklick – die virtuelle Beichte

Der liebe Gott hat manchmal richtig gute Einfälle. Letztens hat er einen seiner polnischen Jünger ein Beichtprogramm für den heimischen PC entwickeln lassen. Von Gewissensbissen gepeinigte Katholiken können nun, statt Nächte zu durchwachen, auch zur Geisterstunde eine Sündenbilanz ziehen. Sie tappen zum Computer und rufen das Programm „Reflex 1.0“ auf. Statt eines Priesters, der ihnen schon vorab beruhigend zunickt, begrüßt sie die Eingangsseite des „Programms zur Unterstützung bei der Gewissenserforschung eines Katholiken“. Die Gepeinigten können sofort zur Sache kommen und als erstes überprüfen, was sie schon alles auf dem Kerbholz haben. Nach einem Mausklick auf „Öffne das bestehende Konto“ erscheint eine Grafik mit den Sündenkurven der vergangenen Beichten. Je höher die roten, blauen und grünen Linien ansteigen, desto weiter sind die Deliquenten vom Tugendpfad entfernt. Nach einem kurzen Mausklick auf „Öffne ein neues Konto“ kann die aktuelle Gewissenserforschung beginnen. Insgesamt 104 Fragen sind zu beantworten, darunter auch solche nach guten Taten. Alles wird nach dem klassischen Prinzip von Soll und Haben, guten und schlechten Taten, bilanziert.

Da der postmoderne Mensch die Zehn Gebote aus Moses' Zeiten vielleicht nicht mehr so richtig versteht, hilft ihm das Beichtprogramm „Reflex 1.0“ auf die Sprünge. Unter Gebot VII: „Du sollst nicht stehlen“, findet er natürlich auch die Frage: „Hast du ein Computerprogramm illegal kopiert?“ Die Antwort „ja“ geht mit einem Sündenpunkt in die Bilanz ein. Die Gefahr, daß der Familiensegen schief hängen könnte, wenn die Gatten sich heimlich die Antworten des Partners zum Gebot „Du sollst nicht ehebrechen“ ansehen, hat der Programmerfinder aus Posen vorausgesehen. Mit einem Password können delikate Inhalte der Beichte oder auch die gesamte Gewissenserforschung vor den Blicken möglicher Voyeure geschützt werden. Schließen können Sünder und Sünderin ihre Bilanzen mit einem Klick auf: „Ich bereue aufrichtig!“ Enter.

Die Katholische Kirche in Polen ist von „Reflex 1.0“ wenig begeistert. „Wenn die Menschen erst übers Internet beichten“, unkt Priester Andrzej Luter in einem Kommentar für die Gazeta Wyborcza, „ist der Weltuntergang nahe.“ Tatsächlich hat der Programmierer Andrzej Urbanski aus Posen eine Schnupperversion seines Beichtprogramms ins Internet gestellt. So kann jeder erst einmal testen, ob er demnächst lieber postmodern im Multiple-choice-Verfahren eine Sündenbilanz zieht oder doch lieber ganz traditionell im Beichtstuhl Platz nimmt und seine Verfehlungen in das Ohr des Priesters flüstert. Allerdings hat das Programm noch ein kleines Manko, wie Priester Luter erklärt: „Die Computerbeichte ist kein Sakrament. Ohne den persönlichen Kontakt zwischen Priester und Beichtendem ist keine Vergebung möglich.“

Wenn Urbanski erst die Version „Reflex 2.0“ herausbringt, werden vielleicht schon die E- Mail-Adressen einiger Priester und das die Sündenbilanz abschließende „Ego te absolvo“ auf dem Monitor zu finden sein. Gabriele Lesser

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