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: Meisterwerker oder Zitaträuber? Garbage in der Columbiahalle

Früher war das noch einfach mit der Popmusik: Da konnte der Rezensent aus dem Bauch raus urteilen, in Kategorien wie Authentizität, Groove, Sex, wahlweise auch Intelligenz (wenn es um Elvis Costello ging) oder soziale Relevanz (bei Billy Bragg). Wenn in diesen Kategorien tatsächlich noch nie Dagewesenes auf Rillen gepreßt wurde, dann schrieb der Rezensent was von „Meisterwerk“. Nirvanas „Nevermind“ war eines der letzten Exemplare dieser Gattung. Der Produzent auf „Nevermind“ war Butch Vig. Vig spielt auch Schlagzeug bei Garbage, weswegen die Kritiker die ehedem gültigen Kriterien auch auf deren Debüt anwandten. Und sie waren begeistert: Technobeats, Rockgitarren, die schwindsüchtige Stimme Shirley Mansons und Sex, Sex, Sex. Ein Meisterwerk.

Und all das nun: ein Irrtum? Der Nachfolger „Version 2.0“: ein lauer Neuaufguß des Erstlings, eine Enttäuschung? Beim ersten Hören klingt's tatsächlich bekannt, wieder die harten Gitarren, wieder die maschinellen Rhythmen, wieder die gleichzeitig coolen wie hoffnungslosen Texte, dabei aber seltsam uninspiriert, nichts wirklich Neues, eben: kein Meisterwerk.

Aber alles ist komplizierter geworden, Authentizität, Groove, Coolness, Sex – schon lange obsolet, soziale Relevanz sowieso. Was man auf „Version 2.0“ hört, ist immer nur Zitat, nur im Kontext zu verstehen. Pretenders, Depeche Mode, The Clash geben sich die Hand, natürlich spielt auch das Debüt eine wichtige Rolle. Wer wirklich Neues erwartet, liegt sicher falsch, wer aber einen gut sortierten Plattenschrank hat, versteht die Bezüge des Updates, versteht das hochironische Spiel mit der Popgeschichte.

Mit einem Konzert hat das alles nur wenig zu tun. Garbage aber treten heute abend in der Columbiahalle auf, und die Frage ist: Übernehmen sie die alten Kategorien und spielen ein bestenfalls gelungenes Techno-Rock-Set, Prodigy ohne Peinlichkeiten? Oder führen sie live das Prinzip Authentizitätsverneinung fort und sind ein wertvoller Zitatschatz aus Versatzstücken der Popkultur? Beim ersten Sehen wäre das dann eine Enttäuschung. Falk Schreiber

Heute, 20 Uhr, Columbiahalle, Columbiadamm 2