piwik no script img

Serben starten Offensive im Kosovo

Das Kohlebergwerk von Belacevac soll zurückerobert werden. Die Kämpfe um Kijevo halten an. Kommt es zu einem umfassenden Angriff auf das Zentrum der Befreiungsarmee UCK in Malisheva?  ■ Aus Sarajevo Erich Rathfelder

Die serbischen Streitkräfte gehen jetzt daran, in den letzten Wochen verlorenes Terrain wieder zurückzuerobern. Denn der kosovo- albanischen Befreiungsarmee UCK ist es gelungen, weite Teile Zentralkosovos unter ihre Kontrolle zu bekommen. Gegenwärtig gibt es heftige Kämpfe um das Kohlekraftwerk in Belacevac, einem Ort westlich Prishtinas und um die von Serben gehaltene und von Albanern belagerten Stadt Kijevo.

Belacevac ist seit Mitte der letzten Woche in der Hand der UCK. Das dort in der Nähe befindliche Kohleabbaugebiet gehört zu den wichtigsten des Kosovo und versorgt das Kraftwerk von Obilic. Dieses Kraftwerk liefert nicht nur Energie für das Kosovo, sondern auch für Serbien, Makedonien und Montenegro. Wie es von von seiten der Direktion hieß, verfüge das Kraftwerk noch über Kohle für 15 Tage. Danach wären Engpässe bei der Stromversorgung zu erwarten.

Diese Engpässe herbeizuführen, ist die Absicht der Kämpfer der UCK. Das Kraftwerk beute „unsere Kohle“ aus, der Strom werde von den Serben verkauft, die Luftverschmutzung finde jedoch im Kosovo statt. So rechtfertigte vor wenigen Tagen ein albanischer Kämpfer die Aktion. Der Direktor des Bergwerkes wie drei seiner Mitarbeiter befinden sich in ihrer Hand.

Seither rüsten die serbischen Streitkräfte zu einem Gegenschlag. In der Kaserne nahe Obilic sind neben Dutzenden von Panzern und Artilleriegeschützen mehrere hundert Mann der Armee stationiert. An der Aktion nehmen zudem Polizeikräfte teil.

Gestern stiegen nach einem Artilleriebeschuß riesige Rauchsäulen über der Ortschaft auf. Zivilisten flohen vor den Angriffen der serbischen Streitkräfte in die Nachbardörfer. Wie immer, wenn Gefahr in Verzug ist, verlassen Frauen und Kinder die angegriffenen Orte. Bei einem Besuch am Kohlekraftwerk vorige Woche erklärten Kämpfer der UCK, sie würden bis zum letzten Mann kämpfen, um die Kontrolle über das Kohlebergwerk zu behalten.

Nach Darstellung des serbischen Medienzentrums versuchten gestern Polizeitruppen das Gelände des Bergwerkes wieder unter Kontrolle zu bekommen, wobei sich ein Teil der bewaffneten Albaner in das Dorf Belacevac zurückgezogen hätten. Ein anderer Teil der Gruppe hätte im Bergwerk auf die Polizisten geschossen.

Wichtiger als diese Kämpfe in Belacevac könnte der Aufmarsch der jugoslawischen Armee in der Nähe des befreiten Gebietes von Malisheva werden. Seit Wochen schon werden Stellungen in den Höhezügen an der Straße Pristhina–Przren bei Stimlje ausgebaut. In den letzten Tagen wurden Panzer und Artillerie sowie andere Nachschubgüter in diese Region gebracht. Seit Samstag ist die Straße für den Verkehr geschlossen. Da Malisheva auf einer Hochebene liegt, ist das Gelände für den Einsatz von Panzern geeignet. So wird nun ein Angriff auf dieses von Kosovo-Albanern kontrollierte Gebiet erwartet, das mehr als 100.000 Einwohner zählt. Nach dem bisherigen Vorgehen der serbischen Streitkräfte ist mit der Zerstörung der „Hauptstadt der UCK“, Malisheva, zu rechnen, wenn es den UCK-Kämpfern nicht gelingen sollte, die Panzer auszuschalten. Gelänge den Serben der Durchbruch, könnten sie vom Süden her die Stadt Kijevo wieder unter ihre Kontrolle bringen. Dort sind serbische Zivilisten und eine Polizeieinheit von 100 Mann eingeschlossen. Anfang Juni hatten dort die Serben die albanische Bevölkerungsmehrheit verjagt, wurden dann aber ihrerseits von den Albanern belagert.

Nach der Militäraktion in Decani Ende Mai, während der rund 50.000 Menschen vertrieben und Tausende von Häusern zerstört wurden, hat die serbische Seite vermieden, größere Militäraktionen zu unternehmen. Angesichts der damaligen Drohung der Nato, bei einer weiteren Eskalation einzugreifen, wollte man offenbar den Bogen nicht überspannen und ist dazu übergangen, gezielt gegen die UCK und die albanische Bevölkerung vorzugehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen