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TuS ausgeWallet: Bundesliga ohne Bremer Handballfrauen

■ Damen-Handballmannschaft zahlt Tribut an Führungsclaqueure / Ungesunde Basis bricht weg / Abschied in die Verbandsliga

Der TuS Walle zieht seine Frauen-Bundesliga-Mannschaft im Handball zurück. In der kommenden Saison tritt der Verein nur noch in der Verbandsliga an. In der Spielklasse, in der er einst gestartet war, als Mäzen Volker Brüggemann begonnen hatte, für seine Tochter Diana eine sündhaft teure Puppenstube zusammenzukaufen und als Handball-Spitzenmannschaft einzukleiden. Zwischen damals und heute liegen immerhin fünf deutsche Meistertitel, vier Siege im DHB-Pokal und ein Erfolg im Europapokal der Pokalsieger. Und Intrigen, ein Konkurs, Finanzjonglage und die Politik.

Der Zusammenbruch begann nach dem Rückzug von Brüggemann 1992. Sowohl für den Finanzguru als auch für den Verein. Dutzende Leute hatten Brüggemann für Warentermingeschäfte ihr Geld anvertraut und verloren – die eigentlichen Sponsoren des TuS Walle. Brüggemann landete mehrere Jahre im Knast.

Jetzt versuchten sich die Politiker Eckhoff (CDU) Claus Dittbrenner (SPD) mit der Gesellschaft BSI in ersten Handball-Marketing-Gehversuchen – und fuhren den Karren voll gegen die Wand. Mit finanztechnischen Kapriolen wurde weiter eine Spitzenmannschaft künstlich konstruiert. Das hatte seinen Preis. Die BSI mußte 1996 Konkurs anmelden. Resultat: „Ungefähr 200.000 Mark Schulden, die wir wie eine Bugwelle vor uns herschieben“, sagt Manager Hans-Herbert Ludolf.

Und eben diese Bugwelle schwappte spätestens in der vergangenen Saison ins Waller Handball-Boot. Der Verein wäre beinahe abgestiegen. Sponsoren rannten in Scharen weg. Kraft-Jacobs-Suchard – teilweise mit bis zu 300.000 Mark dabei – zahlt keinen Pfennig mehr. So auch die Politik: Mit einem Europameister schmückte man sich gerne und zahlte bis zu 400.000 Mark.

Ganz unschuldig an dem Desaster ist übrigens auch Hans-Herbert Ludolf nicht. Ihm muß man übersteigerten Einsatzwahn für „meine Mädchen“ attestieren. Darum verkrachte er sich mit der einstigen Spielerin und Trainerin Marina Basanova. Zeitweilig übernahm dann Co-Trainer Radek Lewicki die Regie, bis Ludolf wieder selbst auf der Trainerbank Platz nahm. Dann holte er – Übungsleiter Nummer vier in einer Saison – Otto Sternberg. Der kündigte „aus privaten Gründen“. Am Ende dieser Saison stand Ludolf mit nur noch zwei Spielerinnen in der Halle. Um sie herum versuchte er eine neue Mannschaft aufzubauen. Das hätte aber mindestens 800.000 Mark gekostet. Ergo: Der Verein zog die Notbremse. Und der verpflichtete Nachwuchs steht auf der Straße. So etwa die Jugendnationalspielerin Olesija Nürnberg. Die 17jährige bleibt jetzt in der Verbandsliga beim TV Meppen. Kein Wunder: Vom Männerspielzeug TuS Walle hat sie – wie viele andere Spielerinnen – „die Nase total voll“. Jeti

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