: Hongkong, humorlos
■ Der Regisseur Wayne Wang über „Chinese Box“ und das ewige Unterwegssein zwischen Amerika und Asien
Ein Mann zwischen den Welten: Geboren ist Wayne Wang in Hongkong, studiert hat er in Amerika. Zurück in Hongkong, drehte er erste Filme, und zu internationalem Erfolg ist er schließlich mit den US-Produktionen Smoke und Blue In The Face gelangt. Für Chinese Box ist der Regisseur jetzt wieder nach Hongkong zurückgekehrt – mit finanzieller Unterstützung aus allen Teilen der Welt.
taz hamburg:Ihr neuer Film entstand im Frühjahr 1997, kurz vor der Übergabe Hongkongs an China. Sie haben 1989 schon einmal für Life Is Cheap ... But Toilet Paper Is Expensive in Ihrer Heimatstadt gedreht. Was war damals anders?
Wayne Wang: Mein erster Film in Hongkong war ein experimenteller, ein kleinerer Film. Auf der anderen Seite sind die Unterschiede nicht so groß, Chinese Box ist eine Bearbeitung des Themas des ersten Films. Beide sind in einem Guerilla-Stil ohne große Kontrolle entstanden, wir haben viel auf der Straße ohne Genehmigung gedreht. Nur diesmal war es eine größere Produktion mit echten Stars.
Einer dieser Stars ist Jeremy Irons, der einen dahinsiechenden englischen Journalisten spielt, der sowohl sein eigenes Sterben dokumentiert wie das Ende des britischen Hongkongs. Er personifiziert die scheidende britische Herrschaft, als solle die Figur ausdrücken, daß die Kolonialmacht langsam dahinstirbt und keine Alternative zur Übergabe an China darstellt.
Die englische Herrschaft kann keine Alternative für Hongkong sein, aber die Atmosphäre, die sie hinterlassen haben, ist positiv. Auch wenn sie wirklich schlimme Dinge angerichtet haben, wie man an der Figur von Maggie Cheung sehen kann, deren Leben beinahe von den Briten zerstört wurde.
Der erste Eindruck, der sich bei Chinese Box aufdrängt, ist ein allegorischer: Jeremy Irons steht für das Ende der britischen Herrschaft, Maggie Cheung für das moderne Leben Hongkongs, das sich auf der Straße abspielt, und die von Gong Li verkörperte Figur kommt gerade aus China, löst somit Jeremy Irons als Zentrum des Films ab.
Das stimmt. Der Film ist allegorisch, obwohl ich Allegorien eigentlich hasse – ich versuche sie jedenfalls zu vermeiden. Ich wollte einen Film über eine Anzahl Charaktere in Hongkong kurz vor der Übergabe an China drehen. Die Figuren sollten mir Zugang zu einem Verständnis von Hongkong geben, aber sie existieren auch ganz real in dieser Stadt. Im Vergleich zu meinen früheren Filmen hat Chinese Box weniger Humor, vielleicht gar keinen. Ich glaube, daß ich viel eher über die USA lachen kann; ich fühle mich dort eher wie ein Außenseiter. Beim Gedanken an Hongkong verliere ich meinen Sinn für Humor.
Sie haben mit drei verschiedenen namhaften Autoren kooperiert. Die Story stammt von Paul Theroux, am Drehbuch arbeiteten Jean-Claude Carriere, der viel mit Bunuel aber auch mit Schlöndorff und Peter Brook gearbeitet hat, sowie der renommierte Larry Gross.
Ich habe zuerst mit Theroux an der Geschichte gearbeitet, der kennt Hongkong sehr gut. Dann hat Carriere das Material geordnet und strukturiert. Gross kam später dazu, um die englischen Dialoge zu schreiben, hat aber auch noch viel Einfluß auf die Story gehabt.
Auch sonst ist der Film sehr international. Irons ist Brite, der Darsteller Ruben Blades kommt aus Panama, Gong Li aus der Volksrepublik China, Maggie Cheung aus Hongkong. Der Kameramann hat mit Emir Kusturica gearbeitet, und auch der Australier Christopher Doyle war beteiligt, der viel mit Wong Kar-Wai gearbeitet hat. Die Finanzierung ist ähnlich international...
In den 60er und 70er Jahren gab es sehr viele schlechte multinationale Produktionen, zum Beispiel Red Sun (Rivalen unter roter Sonne) mit Charles Bronson, Alain Delon, Toshiro Mifune und Ursula Andress. Ich habe Jeremy Irons zu Beginn des Projektes gesagt: Ich möchte Geld und Talente aus der ganzen Welt haben und versuchen, das Ganze so sehr wie möglich zu vermasseln.
Ist es Ihnen gelungen?
Naja, bis zu einem gewissen Grad... Ich denke, daß dies eine neue Art ist, internationale Produktionen zu realisieren. Seit den 70ern hat sich viel verändert, und ich sehe meinen Film als Gegenentwurf zum Monolith Hollywood. Ich halte es für wichtig, Filme auf diese Weise zu produzieren und bewußt nationale Kategorien zu mißachten. Ich möchte mich wirklich in keine Kategorie wie „chinese-american filmmaker“ pressen lassen, ich sehe mich selber als globalen Regisseur.
Und wo ist dann Ihre Heimat: In Hongkong, wo sie aufgewachsen sind, oder in den USA, wo sie seit langer Zeit leben?
Ich bin nirgendwo wirklich zuhause. Ich bin immer Außenseiter. Meine Verwandten nennen mich einen Vogel, weil ich immer weiter muß und nie lange an einem Ort bleiben kann. Das hat sicher auch mit meiner Kindheit in Hongkong zu tun, wo das Leben so schnell ist und sich alles von Tag zu Tag verändern kann. Wenn ich so etwas wie eine Heimat habe, dann ist es höchstens die Ungewißheit. Aber entschuldigen sie bitte, jetzt werde ich zu psychologisch.
Interview: Malte Hagener
Der Film läuft im Abaton und im Zeise. Eine ausführliche Rezension lesen Sie im überregionalen Teil der taz.
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