Mehr Sorgerechte für unverheiratete Eltern

■ Ämter erwarten nach Inkrafttreten des neuen Kindschafts- und Familienrechts Antragsflut

Ab 7 Uhr 10 klingelte das Infotelefon im Jugendamt Charlottenburg Sturm. Eine alleinerziehende Mutter wollte wissen, wie es sich mit dem Unterhalt ihrer 18jährigen Tochter verhalte. Gleich darauf riefen fünf unverheiratete Väter hintereinander an und fragten, wie man das gemeinsame Sorgerecht bekommen kann.

Monika Kotowski vom Infotelefon hatte gestern, als das neue Kindschafts- und Unterhaltsrecht in Kraft trat, viel zu tun. Jugendämter und Familiengerichte machen sich auf eine Flut von Anträgen gefaßt. „Die Leute werden uns überrollen“, stöhnt eine Rechtspflegerin vom Familiengericht Pankow. Im Familiengericht Kreuzberg/Tempelhof wurde eine zusätzliche Antragsstelle eingerichtet, denn viele Verfahren werden jetzt dort statt beim Vormundschaftsgericht landen.

Langfristig soll das neue Recht die Familiengerichte jedoch entlasten. Vor dem 1. Juli mußten Gerichte und Jugendämter stets prüfen, bei wem das Kind besser aufgehoben wäre. Das fällt jetzt weg – wenn die Eltern sich einig sind. Denn wenn eine Ehe in die Brüche geht, erhalten Vater und Mutter nun die gemeinsame elterliche Sorge, außer bei einem strittigen Antrag oder wenn ein Elternteil freiwillig auf das Sorgerecht verzichtet. Nach wie vor müssen die Gerichte jedoch entscheiden, wenn sich die Eltern, ob verheiratet oder nicht, um die Kinder streiten.

Änderungen gibt es auch bei Vätern, die ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommen. Während früher die Mutter mit einem Gerichtsverfahren den Anspruch des Kindes auf Unterhalt erstreiten mußte, steht seit gestern der säumige Vater in der Nachweispflicht. Um ihn zum Zahlen zu bewegen, braucht die Alleinerziehende nun keinen Gerichtsentscheid mehr, sondern kann mit einem Rechtspfleger in einem außergerichtlichen Verfahren die Unterhaltszahlungen durchsetzen. Auch diese Regelung soll das Arbeitspensum der Gerichte verringern.

Die Jugendämter richten sich dagegen auf zusätzliche Beratungen ein. Geduldig erklärt Monika Kotowski vom Infotelefon den AnruferInnen beim Jugendamt Charlottenburg die neuen Rechte. Nichteheliche Kinder sind jetzt per Gesetz ehelichen Kindern gleichgestellt. Ein unverheirateter Vater kann, wenn die Mutter einwilligt, nun auch die Sorge für das gemeinsame Kind erhalten. Dafür muß das Paar bei einem Notar einen Sorgevertrag abschließen. Das kostet allerdings Geld. Die billigere Alternative ist, zur Abteilung Vormundschaft im Bezirksamt zu gehen. Dort wird nach einer Beratung eine Sorgeurkunde ausgestellt. Kotowski hält das neue Recht „für einen Schritt in die richtige Richtung“, da es die Position von nichtehelichen Kindern und unverheirateten Müttern und Vätern stärke. Kirsten Küppers

Das Info-Telefon steht bis zum 10. Juli unter 34302555 für Auskünfte zur Verfügung.