: Im Zweifelsfall gilt das Parteiprogramm
■ Was macht die SPD, wenn der designierte Wirtschaftsminister Jost Stollmann seine unternehmerische Freiheit auch in einer Regierung ernst nimmt? Dann gilt das Parteiprogramm, sagt der SPD-Bundesgesch
Bonn (taz) – SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering ist an diesem Abend zunächst blendend gelaunt. „Der SPD geht es gut“, sagt er von innerer Gelassenheit beseelt. Nur wenn die Sprache auf Jost Stollmann kommt, den Mann, den SPD- Kanzlerkandidat Gerhard Schröder als Wirtschaftsminister aus dem Hut gezaubert hat, wird er zunehmend gereizt.
Zugegeben, die Frage der Journalisten zu Beginn einer Runde in Bonn ist nicht nett: Herr Stollmann habe gesagt, er habe in vielen Fragen noch keine eigene Meinung, man müsse ihm Zeit geben. „Was, wenn Stollmann schließlich zu anderen Auffassungen kommt als die SPD?“ Müntefering stutzt: „Stollmann ist ein erfolgsorientierter Mensch, der weiß, mit wem man gewinnt, und wie man gewinnt.“ Dann brütet er noch ein Weilchen finster vor sich hin. Ist für die SPD 1998 das Gewinnenkönnen das wichtigste Kritierium? Wenn man Franz Müntefering ungestört über Jost Stollmann reden läßt, sagt er Sätze wie diese: „Er hat uns gut ins Gespräch gebracht. Durch ihn haben wir ein gewisses Spektrum der Wählerschaft angesprochen. Die meisten Wähler sind schließlich nicht in der Partei. Die finden es gut, wenn einer von außen kommt.“
Und was findet die SPD an Stollmann gut? Warum hat sie sich nicht für einen x-beliebigen anderen Nicht-Funktionär entschieden? Müntefering windet sich. Stollmann ist „belastbar“, erfährt die Runde schließlich. Ist das alles? Müntefering versucht es erneut: „Es wurde jemand gesucht, der von außen kommt und der glaubwürdig ist in seiner eigenen Vita. Das sind alles Dinge, die auf Schrottmann zutreffen.“ Schrottmann, sagt er. Ein Versprecher nur. Was aber, wenn der Kandidat inhaltlich mit der Partei nicht übereinstimmt? Wenn er möglichst rasch Kohlesubventionen abbauen will? Was, wenn er die Reformen der Bundesregierung wie bei der Rente für eine feine Sache hält, obwohl die SPD sie nach der Bundestagswahl erklärtermaßen rückgängig machen will? Müntefering beruhigt: „Entscheidend ist das Wahlprogramm.“ Die Kohlekumpels brauchen sich keine Sorge zu machen. Überhaupt niemand. Auch die Gewerkschaften nicht, die Stollmann heftig angegriffen haben, weil er das Bündnis für Arbeit in Frage gestellt hat, das die SPD nach dem Wahlsieg eigentlich als erstes in Angriff nehmen will. Aber es gilt ja das Programm. Das allerdings steht unter einem Finanzierungsvorbehalt. Und schon hat sich Parteichef Oskar Lafontaine mit Stollmann solidarisch gezeigt, indem er den Kritikern bescheinigte, ein naives Verhältnis zum Bündnis für Arbeit zu haben. Und was ist, wenn noch mehr Stollmanns kommen? Und dürfen die nicht an zukünftigen Programmen mitschreiben?
Aber die SPD ändert sich ja ohnehin, wie Müntefering sagt. Teilzeitarbeit und Sonntagsarbeit seien vor einiger Zeit noch ein Tabu gewesen. Wichtig nur, daß in der Arbeitswelt das Prinzip gilt: „Alle müssen die gleiche Augenhöhe haben.“ Über die Instrumente könne man aber reden. Und so verurteilt es der Gewerkschafter Müntefering auch nicht, daß es in Stollmanns Exfirma „Compunet“ keinen Betriebsrat gab. Schließlich hätten die Mitarbeiter über die Mitarbeiterbeteiligung gut verdient. „Ich würde nicht sagen“, sagt Müntefering, „das ist nicht sozialdemokratisch.“ Markus Franz
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