: Wirtschaftliche Armut ist eine politische Chance
■ Das bitterarme Mosambik tut alles, was dem Nachbarn Südafrika gefällt. Damit hat die Regierung Narrenfreiheit – auch wenn manches schiefgeht, zum Beispiel die Kommunalwahlen
Für seinen Erzrivalen hatte der Präsident am Ende nur freundliche Worte. Lächelnd beschied Mosambiks Staatschef Joaquim Chissano den einstigen Rebellen der Renamo, sich „höchst demokratisch“ verhalten zu haben. Das Lob war doppeldeutig. Denn die ersten demokratischen Kommunalwahlen in Mosambik, die in dieser Woche endlich stattfanden, verdienten kaum den Namen.
Nicht nur öffneten viele Wahllokale viel zu spät und hatten dann keine Stimmzettel – zur Wahl stand ohnehin nichts außer Chissanos Regierungspartei Frelimo und ein paar unabhängigen Kandidaten. Die ehemalige Rebellenbewegung Renamo sowie eine Reihe kleiner Oppositionsparteien boykottierte die Wahl, offenbar mit einigem Erfolg: Die Wahlbeteiligung war mit deutlich unte 50 Prozent offenbar noch viel niedriger als befürchtet.
Vier Jahre nach den ersten demokratischen Parlamentswahlen in der ehemaligen portugiesischen Kolonie – bei denen die ex-sozialistische Regierungspartei Frelimo 123 Sitze gewann und die Renamo 112 – hält zwar der von der UNO gestiftete Frieden zwischen den einstigen Bürgerkriegsparteien. Doch politisch ist das Land am Indischen Ozean, dessen Hauptstadt Maputo im südlichsten Zipfel nahe der Grenze zu Südafrika liegt, noch immer zweigeteilt in Renamo-Gebiete im unterentwickelten Norden und Frelimo-Hochburgen im Süden.
Ihren Boykott begründete die Renamo mit Unregelmäßigkeiten bei der Wählerregistrierung. Bei einer Bevölkerung, die überwiegend in weitabgelegenen ländlichen Regionen lebt und von der zwei Drittel nicht lesen und schreiben können, ist das nicht allzu überraschend. Hinter der Haltung der Renamo steckt auch der Unwillen, regionale Machtpositionen möglicherweise aufgeben zu müssen. Das allerdings könnte eine taktische Fehleinschätzung gewesen sein, denn in einigen Kommunen hätte die Renamo durchaus Chancen gehabt. Die Frelimo indessen wollte die mehrfach verschobene Wahl nicht ein viertes Mal platzen lassen und hat nun in den gewählten Gemeindeverwaltungen freie Hand. Darüber hinaus hat sie den Forderungen der Geberländer nach einer weiteren Demokratisierung Genüge getan.
Denen gilt Mosambik als Erfolgsmodell. In den vergangenen Jahren konnte Mosambik, eines der ärmsten Länder der Welt, ein jährliches Wirtschaftswachstum von knapp acht Prozent verzeichnen, und ausländische Investoren kaufen ehemalige Staatsbetriebe auf. Zumindest die großen Städte, allen voran Maputo, erholen sich vom fast 20jährigen Bürgerkrieg. Zur Belohnung für ein straffes Stukturanpassungs- und Privatisierungsprogramm wurde Mosambik jetzt in die Liste der ersten Länder in Afrika aufgenommen, die schrittweise entschuldet werden.
Mosambiks Präsident Chissano setzt vor allem auf die Ansiedlung von privaten Investoren und auf die regionale Integration. Seinen wichtigsten Verbündeten hat er dabei im reichen Nachbarland Südafrika, das nicht nur an neuen Märkten, sondern auch an der geographischen Lage Mosambiks interessiert ist: Die Hauptstadt Maputo ist für das industrielle Zentrum Südafrikas nördlich von Johannesburg der nächste Seehafen. Mit einem milliardenschweren bilateralen Investitionsprojekt, dem „Maputo-Korridor“, soll die Region Johannesburg über eine gebührenpflichtige Straße mit dem Hafen Maputos verbunden werden.
Entlang der Straße soll auch auf der mosambikanischen Seite systematisch Industrie angesiedelt werden. Dabei hofft die Regierung in Pretoria auf einen wichtigen Nebeneffekt: Indem in Mosambik Arbeitsplätze entstehen, soll der Zustrom von Armutsflüchtlingen gestoppt und Südafrikas Arbeitsmarkt entlastet werden. Dies aber ist eine hochgesteckte Erwartung. Denn außerhalb der großen Städte ist die Armut in Mosambik immens. Ironischerweise allerdings liegt in der Armut des Landes auch seine Chance. Anders als Angola, die zweite frühere portugiesische Kolonie in der Region, hat Mosambik kaum Bodenschätze, mit denen es eine Wiederaufnahme des Bürgerkrieges finanzieren könnte. Im reichen Angola mit seinen riesigen Diamanten- und Erdölvorkommen geht es der Mehrheit der Bevölkerung genauso schlecht wie in Mosambik, und das Land steht derzeit kurz vor einem Rückfall in den Krieg zwischen Unita und Regierung. Kordula Doerfler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen