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Häßlich soll zahlen

Wursten zeigt, wie's geht: Eine radikale Steuer, um Hamburgs Kassen zu füllen  ■ Von Heike Dierbach

Das Auge wohnt mit, wußten schon die VorfahrInnen. Auch die niedersächsische Samtgemeinde Wursten (Kreis Cuxhaven) legt Wert auf Ästhetik und will nun die in ihren Augen allerbösesten Schönheits-Sünder zur Kasse bitten: Besitzer von Windrädern, die höher als 30 Meter sind, sollen 1000 Mark „Landschaftsbild-Beeinträchtigungssteuer“ (Wort merken für das nächste Scrabble-Turnier!) zahlen und so Löcher im kommunalen Haushalt stopfen.

Der Bundesverband der Windenergie-Betreiber protestiert zwar heftig und droht eine Klage an, aber Samtgemeindedirektor Neumann bleibt standhaft: Schließlich habe die Gemeinde das „Steuererfindungsrecht“. Rund 40 andere Gemeinden aus der ganzen Bundesrepublik hätten bei den Wurstenern bereits die Mustersatzung bestellt.

Wir meinen: Super-Idee! Auf diese Weise kann nun auch Hamburg seine Kassen wieder randvoll füllen, wenn endlich durchgegriffen wird gegen die skrupellosen Landschaftsbild-Gangster: Denkt man nur einmal an das CCH und das Radisson-Hotelhochhaus, das die Augen aller Planten-un-Blomen-BesucherInnen belästigt. Die Besitzer sollten nicht mit 1000 Mark davonkommen. Und selbstverständlich ist die Steuer rückwirkend zu zahlen – Ordnung muß sein. Einen guten Finanzberater sollte sich auch die Deutsche Bahn suchen, wenn sie für den Altonaer Bunker-Bahnhof blechen muß. Auch die Abgaben für die gesamte City Nord dürften nicht gerade billig werden. Und wo bleibt die Steuer für das neue Millerntorhochhaus?

Leider gehören einige der wohl steuerträchtigsten Gebäude der Stadt selbst. Aber die will ja eh' einige davon verkaufen. Unser Rat: Die Siedlungen Mümmelmannsberg und Steilshoop und den Uni-Campus schnell abstoßen – und dann ordentlich absahnen.

Gerechterweise sollten dann aber alle Landschaftbild-Beeinträchtiger zur Kasse gebeten werden: Also auch Autos, sämtliche Hauptverkehrsstraßen und Autobahnen, Fabriken, Müllverbrennungsanlagen, das Bismarck-Denkmal, Werbetafeln und Parkhäuser. Und wer findet eigentlich konisch geschnittene Hecken schön?

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