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„Mutiger als die Jungen“

Kein bißchen leise: Das Greenpeace-„TEAM Fünfzig PLUS“ feiert fünften Geburtstag. Die erste Gruppe gab's in Hamburg  ■ Von Heike Dierbach

„Wir haben Euch diese Welt nur geliehen ... aber Euch leihen wir nichts wieder!“ Die symbolischen Kinderworte bringen es für Gisela Johannsen auf den Punkt. Um die Leihgabe in gutem Zustand zu halten, verteilt sie Flugblätter vor der Norwegen-Fähre in Kiel, spricht PassantInnen auf der Hamburger Mönckebergstraße an und demonstriert innerhalb der Rathaus-Bannmeile. Die 66jährige ist Gründungsmitglied der Hamburger Gruppe vom Greenpeace-„TEAM Fünfzig PLUS“, das vor wenigen Tagen seinen fünften Geburtstag feierte.

„Man muß aber bei uns nicht über 50 sein“, lacht die Rentnerin, die Teams auch bundesweit koordiniert. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie ihr ehrenamtliches Engagement erklärt, läßt sie eher wie eine 25jährige wirken. „Tschernobyl war der letzte Anstoß“, erinnert sie sich, „ich wollte etwas machen, Verantwortung für die nächste Generation übernehmen.“ Zuvor war sie nicht politisch aktiv. Aber als sie vor sechs Jahren in Rente ging, da stellte sich bald die Frage: „Was tun mit der ganzen Zeit?“ An Greenpeace habe sie speziell die internationale Organisation, die Gewaltfreiheit und die politische Unabhängigkeit gereizt.

Die Umweltschutzorganisation ihrerseits begann seit 1991 verstärkt, ältere Fördermitglieder in Protestbriefaktionen einzubeziehen. „Und dann wollten die irgendwann mehr machen“, erinnert sich Dietmar Kress, zuständiger Greenpeace-Campaigner für Kinder, Jugendliche und das TEAM Fünfzig PLUS. Die erste Gruppe entstand in Hamburg, heute gibt es TEAMs in 14 deutschen Städten, immer angeschlossen an die lokale Greenpeace-Gruppe.

„Die Älteren sind aus unserer Arbeit nicht mehr wegzudenken“, schwärmt Kress, „sie sind viel mutiger und konkreter als die Jungen“ – ob sie sich nun vor dem Hoechst-Gelände anketten, die Kinder-Green-Teams betreuen oder für Essen und Getränke sorgen. „Ein warmer Tee ist für eine Aktion genauso wichtig wie ein gutes Flugblatt.“

„Wenn man sich entschieden hat, etwas zu tun, überwindet man auch eigene Grenzen“, erklärt Gisela Johannsen schlicht. Überhaupt ist es der lebhaften Grauhaarigen gar nicht recht, so im Vordergrund des Gesprächs zu stehen. Die 25 Mitglieder der Hamburger Gruppe hätten doch alle ganz unterschiedliche Erfahrungen und Kompetenzen, betont sie. Da ist zum Beispiel der Baufachmann, der in der Clean-Construction-Kampagne mitarbeitet, oder der Arzt, der gegen radioaktive Belastung kämpft. „Wir haben den Vorteil, daß wir keine Angst mehr um unseren Arbeitsplatz haben müssen.“ Auch eine eventuelle Anklage könne die älteren AktivistInnen wenig schrecken. Zudem die Polizei sie stets mit einem gewissen Respekt behandle, stellt Johannsen fest.

Schwer sei es ihr zu Beginn gefallen, PassantInnen vor Info-Ständen anzusprechen. „Aber als ich gesehen habe, wie gut das ein Mitstreiter machte, dachte ich: Das kannst du auch. Und dann hat es auch geklappt.“ Gerade älteren Menschen könne man die Anliegen von Greenpeace so nahebringen. Aber auch ihre erwachsenen Kinder finden ihr Engagement gut. Im Bekanntenkreis dagegen hält sie sich oft zurück. „Das geht vielen von uns so“, erzählt sie, „wir müssen uns sonst ganz schnell rechtfertigen.“ Wenn sie im Fernsehen ist, finden das zwar alle ganz toll. Aber ansonsten „haben wohl viele ein schlechtes Gewissen“, weil sie selbst nichts tun. Manchmal spenden sie Geld, „dann sage ich auch danke“.

Ihr Engagement kann das nicht trüben – für sie sind es die Erfolge, aus denen sie Kraft zieht. Zum Beispiel, als es Greenpeace gelungen war, die Versenkung der Ölbohrplattform Brent Spar zu verhindern – „daran haben wir mitgewirkt“. Und nicht zuletzt bringt ihr ihre Arbeit im TEAM fünfzig PLUS auch viele neue Freunde, berichtet die 66jährige, die gern noch viel mehr Ältere für die Teams gewinnen würde, und lacht wieder: „Eigentlich habe ich den besten Job der Welt – ich stehe mitten im Leben.“

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