: Haushalt auf Titanic-Kurs
■ Bündnisgrüne Schreyer lotet im Haushalt 1999 ein Loch von 8,8 Milliarden Mark Schulden aus. Warnung vor Schattenetats. Ausweg aus Finanzkrise führt über bundespolitische Maßnahmen
8,8 Milliarden Mark – ein Fünftel des Landeshaushalts – sind nach Ansicht der bündnisgrünen Finanzexpertin Michaele Schreyer im Etat 1999 nicht gedeckt. Der Betrag setze sich zusammen aus 5,57 Milliarden Mark, die in der Finanzplanung schon als Defizit eingeplant sind, noch nicht erbrachten, aber vereinbarten Sparleistungen von 1,8 Milliarden Mark und Steuern sowie anderen Einnahmeausfällen von insgesamt 1,59 Milliarden Mark. „Die Koalition kann sich auf keinen Konsens in der Haushaltssanierung einigen“, kritisierte Schreyer gestern die Große Koalition im Senat, die zu abschließenden Etatverhandlungen zusammensaß. Auch mit der geplanten Neuverschuldung und den Kürzungen bleibe eine Lücke von 2,9 Milliarden Mark im Haushalt.
„Diese aus dem Füllhorn Vermögensverkäufe zu schließen, wird selbstverständlich zunehmend problematischer“, so Schreyer. So habe sich in diesem Jahr schon gezeigt, daß von den geplanten 6 Milliarden Mark aus Vermögensverkäufen nur ein Teil realisiert werden konnte: „Bislang sind nur 1,5 Milliarden aus dem Verkauf der Gasag eingegeangen.“
Angesichts dieser dramatischen Zahlen warnte die Finanzexpertin den Senat, sich über Schattenhaushalte und Sondervermögen weiter in die Verschuldungskrise zu manövrieren. Schon jetzt liege die jährliche Neuverschuldung über den verfassungsrechtlich zugelassenen Grenzen, an den sogenannten Kassenkrediten – also kurzfristigen Anleihen – schiebe die Finanzverwaltung dazu noch einen 3- bis 4-Milliarden-Mark-Berg vor sich her. Durch sozial ungerechte Förderungen, wie das Eigenheimprogramm, werde die Situation noch zugespitzt.
Auch der geplante Liegenschaftsfonds, in dem verkaufbare Gebäude und Flächen des Landes zusammengefaßt werden sollen, biete keinen Ausweg. Primär diene der Fonds, aus dem langfristig 24 Milliarden Mark erwirtschaftet werden sollen, der „Bilanzmanipulation“. Der Fonds soll an eine eigens zu gründende Gesellschaft übergeben werden, die dafür Zinsbelastungen von einer Milliarde Mark übernimmt. „Für den Haushalt 1999 aber“, so Schreyer, „spielt es keine Rolle, ob diese Milliarde im Haushalt ausgewiesen ist, Schuldner bleibt ohnehin Berlin.“ Am Dienstag will der Senat über den Liegenschaftsfonds entscheiden.
Langfristig sieht Schreyer einen Ausweg aus der Finanzkrise der Stadt aber ohnehin nur in bundespolitischen Maßnahmen. Neben einer dringend notwendigen Reform der Einkommenssteuer will die Bündnisgrüne auch an den Länderfinanzausgleich heran. Die Blockadehaltung der SPD in dieser Frage sei unverantwortlich, man müsse den eigentlichen Länderfinanzausgleich zurückfahren und dafür sogenannte Ergänzungszuweisungen des Bundes, also spezifischere Zahlungen, erhöhen. Eine Aufkündigung des jetzigen Länderfinanzausgleichs, der zwischen den Bundesländern bis zum Jahr 2004 beschlossen wurde, hält Schreyer jedoch für unrealistisch. Barbara Junge
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen