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Streit um Erdbebensicherheit des AKW Brunsbüttel

■ Kiel fordert stärkere Beteiligung der Länder an Aufklärung von Atomtransport-Skandal

Ist das Atomkraftwerk Brunsbüttel hinreichend vor Erdbeben geschützt? Der jahrelange Streit um die Sicherheitsfrage ist am Wochenende neu entfacht zwischen dem Kieler Energieministerium als AKW-Aufsichtsbehörde und dem atomkritischen „Aktionskreis Stillegen Sofort“. Karsten Hinrichsen, Sprecher des Aktionskreises und Mitglied der schleswig-holsteinischen Grünen, ließ Vorwürfe niederhageln auf seinen grünen Parteifreund Willi Voigt, Staatssekretär im Energieministerium. Dieser hätte die Wiederanfahrtgenehmigung für das AKW Brunsbüttel in der vorigen Woche an strengere Auflagen knüpfen müssen, was die Erdbebensicherheit betreffe. Der Reaktor sei lediglich für eine Erdbebenintensität der Stärke 5,5 ausgelegt.

Ein Gutachten des Niedersächsischen Landesamts für Bodenforschung im Auftrag des Energieministeriums hingegen bescheinige, daß das AKW in einem „potentiellen Erdbebenherd“ liege, wo weitaus höhere Intensitäten bis zu Stärke 7 auftreten könnten. Hinrichsen schlug deswegen vor, den AKW-Betreibern zur Auflage zu machen, innerhalb des nächsten Jahres entweder nachzuweisen, daß das AKW der Stärke 7 standhalte, oder es entsprechend nachzurüsten.

Doch statt dessen habe Voigt „wohl aus Angst vor einer Weisung durch das Bundesumweltministerium“ durch Untätigkeit geglänzt: Brunsbüttel ging ohne die Auflage ans Netz. Voigt wies die Kritik zurück: „Was Karsten fordert, ist nicht machbar, dazu müßte zuerst das Bundesatomgesetz geändert werden.“ Das AKW habe eine „bestandskräftige Genehmigung“; „nachträgliche Auflagen für Stärke 7“ sehe das Gesetz nicht vor, zumal weder ein „unmittelbares Sicherheitsdefizit“ drohe noch geklärt sei, „wie sicher das Gutachten ist“.

Hinrichsen hat für diese Logik nur Kopfschütteln übrig. Wenn die Sicherheitsbedenken so irrelevant seien, fragt er, „weshalb mußten dann die jüngst eingebauten neuen Frischdampf- und Speisewasserrohre mit Stärke 7 ausgelegt werden?“ Es sei „unverständlich“, lediglich einzelne Rohre mit strengen Sicherheitsauflagen zu versehen, während das restliche AKW im Ernstfall einstürzen könne.

Tatsächlich liegt das AKW in der Norddeutschen Tiefebene, durch die auch der Salzstock Belmhusen verläuft. Zuletzt 1770 wurde dort ein Erdbeben mit der Stärke 7 registriert. Doch das sei kein Grund zur Entwarnung, so das Niedersächsische Landesamt: „Es wird empfohlen, die Intensität für das Bemessungserdbeben am Standort Brunsbüttel auf Stärke 7 festzulegen“, heißt es in dem Gutachten.

Die Atomrechtsexperten der Hamburger GAL-Bürgerschaftsfraktion, Axel Bühler und Lutz Jobs, erklärten, Hinrichsens Forderung sei „plausibel“. Der Sprecher der Hamburgischen Electricitätswerke, Johannes Altmeppen, hatte als Vertreter der AKW-Betreiberin nur Spott übrig: „Das Stichwort Erdbebensicherheit werden wir ernsthaft diskutieren, nachdem die Brücke über den Kaiser-Wilhelm-Kanal bei Brunsbüttel wegen erdbebenbedingter Einsturzgefahr behördlich geschlossen wurde.“

Die HEW plagen derweil andere Sorgen: Ihr Versprechen, in der vergangenen Woche sämtliche Daten über ihr Wissen von verstrahlten Atomtransporten offenzulegen, blieb uneingelöst: „Wir sind noch nicht so weit.“

Unterdessen drängt Kiel im Konflikt um die radioaktiv verseuchten Behälter auf eine Beteiligung der Länder an verschärften Kontroll- und Melderegelungen. Er verlange nachträgliche Auflagen für alle AKWs, um die Einhaltung der Grenzwerte sicherzustellen, sagte Voigt. Auch die Meßverfahren müßten überarbeitet und vereinfacht werden. Die Meldepflicht sei konsequent an der Einhaltung gesetzlicher Normen zu orientieren. Heike Haarhoff

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