Schluß mit dem „dummen Zeug“

■ Die Habilitation, der lange Weg zur Professur, soll verschwinden

Köln (taz) – Wer in Deutschland ProfessorIn werden will, hat zwei Probleme: das Alter und die Abhängigkeit. Beide Probleme haben eine Ursache: die Habilitation. Denn dieser Ritterschlag zum Professor wird erst nach dem Verfassen einer mehrere hundert Seiten dicken Habilitationsschrift unter der betreuenden Aufsicht einer vorgesetzten HochschullehrerIn gewährt. „Das Durchschnittsalter der Habilitierten liegt bei 42. Da sind andere Leute schon Vorstandsvorsitzende großer Konzerne. Das ist dummes Zeug, was wir da veranstalten“, läßt Hans Meyer, der Präsident der Berliner Humboldt-Universität, kein gutes Haar am Habilitieren, über das einst schon Max Weber spottete.

Ganz derselben Meinung ist der seit Januar amtierende Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Ernst-Ludwig Winnacker. Das hohe Durchschnittsalter der Habilitanden verriete, so Winnacker, „daß etwas nicht mehr stimmt, daß fakultätsinterne Zulassungsregelungen, die weniger qualitative als hierarchische Merkmale tragen, dieses Qualifizierungselement pervertieren“.

Die DFG sinnt auf Abhilfe. Vorbild ist wieder einmal das angelsächsiche Hochschulsystem, das NachwuchswissenschaftlerInnen erlaubt, gleich im Anschluß an die Promotion als PostdoktorandInnen oder AssistenzprofessorInnen selbständig zu lehren und zu forschen. Haben sie sich dabei bewährt, können sie als ProfessorIn berufen werden – ohne Habilitation. Auch dem deutschen ProfessorInnen-Nachwuchs wird nun zu mehr Selbständigkeit und Freiheit verholfen. Ein nach der Mathematikerin Emmy Noether benanntes Programm soll „mentalitäts- und modellbildend“ wirken: In zwei Phasen werden NachwuchswissenschaftlerInnen mit einer überdurchschnittlich guten Promotion zunächst zwei Jahre im Ausland forschen und anschließend für drei Jahre eine eigene kleine Forschungsgruppe leiten. Künftige Emmy-Noether-AbsolventInnen sollen dafür belohnt werden – mit Mitte Dreißig können sie ohne Habilitation auf eine Professur berufen werden. Wer sich als TeamleiterIn bewerben will, braucht zugleich die Stellenzusage eines Instituts – die Nachwuchsleute sollen sich auch an der Lehre beteiligen.

Das Programm, das zunächst 100 WissenschaftlerInnen pro Jahr fördern und 120 Millionen Mark kosten soll, wird, da ist DFG-Chef Winnacker Realist, „zwar das System insgesamt nicht aus den Angeln heben können“. Aber es könnte der „erste Schritt auf dem Weg zu weniger hierarchisch angelegten Strukturen“ in der Hochschule sein. Imke Henkel