: Bayern fordert Sippenhaft
■ Fall „Mehmet“ Anlaß zu Bundesratsvorstoß
Berlin/München (taz) – Kommenden Freitag wird die Bayerische Staatsregierung im Bundesrat eine Gesetzesinitiative einbringen, nach der straffällig gewordene Jugendliche ohne deutschen Paß fortan abgeschoben werden können – mitsamt ihren Eltern. Das bayerische Kabinett hat den Entwurf für eine solche Gesetzesänderung gestern beschlossen. Die SPD-Länder unter der Führung Niedersachsens werden sich diesem Vorstoß nicht anschließen: „Man kann Eltern nicht für die Taten ihrer Kinder verantwortlich machen. Wir wollen keine Sippenhaft“, sagte Volker Benke, Sprecher des Hannoveraner Innenministeriums, der taz.
Anlaß für die bayerische Initiative ist der Fall „Mehmet“. Der 14jährige Sohn türkischer Eltern hat eine Karriere als Serienstraftäter hinter sich. Der Münchener Kreisverwaltungsreferent Hans-Peter Uhl (CSU) wollte den Jungen, der aus Datenschutzgründen „Mehmet“ genannt wird, mitsamt seinen Eltern ausweisen, die seit 30 Jahren in Deutschland leben. Mehmet hat am Wochenende nach vierwöchiger sonderpädagogischer Aufsicht seine 61. Straftat begangen. Das brachte das Faß für die weißblauen Ordnungshüter zum Überlaufen. Auch Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hat sich gestern für die Abschiebung Mehmets ausgesprochen.
Von der Ausweisung, wie sie das bayerische Kabinett nun über den Bundesrat möglich machen will, wären Eltern bedroht, die ihre „Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter 16 Jahren gröblich“ verletzen. Zur Anwendung kommen soll das Gesetz vor allem bei Eltern von unbelehrbaren „Intensivstraftätern“, Jugendlichen, die mehrfach schwere Straftaten begangen haben. „Notorische Schwarzfahrer und Ladendiebe“ haben laut Michael Ziegler, dem Sprecher des bayerischen Innenministeriums, keine Abschiebung zu befürchten. Bevor das Gesetz greift, sollen die betroffenen Jugendlichen erst erzieherischen Maßnahmen unterzogen werden. „Wenn aber auch die Unterbringung in einem geschlossenen Heim nichts bringt oder viel Geld kostet“, sei die Ausweisung das letzte Mittel.
Bislang reicht die rechtliche Grundlage im Ausländergesetz für eine Abschiebung nicht aus. Die Gesetzesänderung soll laut Ziegler eine „glasklare“ rechtliche Grundlage für das Vorgehen gegen jugendliche Straftäter und ihre Eltern schaffen.
Doch der Erfolg der bayerischen Initiative ist höchst zweifelhaft, da Niedersachsen als Wortführer der SPD-regierten Bundesländer nicht mitzieht. Berichte Seite 2
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