■ Tod des Oppositionellen Abiola treibt Nigeria in den Bürgerkrieg: Wenn der Demokratieglaube stirbt
Es ist unklar, ob Nigerias Oppositionsführer Moshood Abiola bei seinem Treffen mit US-Unterhändler Thomas Pickering unter natürlichen Umständen starb oder nicht. Aber daß viele Oppositionelle in Nigeria überzeugt sind, das Regime habe Abiola aus dem Weg geräumt, reicht aus, um Nigerias Zukunft düster erscheinen zu lassen. Zu einleuchtend ist die Parallele von Abiolas mysteriösem Herzversagen zu dem ebenfalls mysteriösen Herzversagen des Diktators Abacha genau 31 Tage zuvor. Noch nie seit dem Biafra-Krieg war die Gefahr einer blutigen Selbstzerfleischung des Landes so groß wie jetzt.
Wenn tatsächlich Parolen wie „Abiola ist tot – Nigeria ist tot“ unter den aufgeregten Bewohnern von Lagos die Oberhand gewinnen, ist das einerseits verständlich, andererseits aber auch bestürzend. Verständlich, weil Abiolas Tod all jenen recht zu geben scheint, die schon immer argumentieren, die herrschende Kaste aus Milliardären und Militärführern aus Nigerias muslimischem Norden räume jeden aus dem Weg, der ihr Machtmonopol in Frage stellt. Erst Abacha, weil er sich zu ungeschickt anstellte, dann Abiola, weil er als Sieger einer demokratischen Wahl auch bei einer mit Bedingungen behafteten Freilassung zu gefährlich ist. Die in Nigerias wirtschaftlichem Kernland um Lagos im Südwesten weitverbreitete nationalistische Folgerung, man müsse sich vom Norden lösen, um endlich einmal demokratische Selbstbestimmung zu erleben, drängt sich da geradezu auf.
Gleichzeitig ist das aber auch bestürzend, denn es beweist, daß die Idee eines demokratischen und zugleich geeinten Nigeria entgegen allen Beteuerungen der führenden Oppositionsfiguren in Lagos eben doch von einem Mann abhängt. Mit Abiolas Tod droht auch der Glaube an einen friedlichen Übergang zu einer demokratischen und zugleich multikulturellen nigerianischen Gesellschaft dahinzuscheiden.
Noch ist es zu früh, um den Bürgerkrieg herbeizureden. Aber die Zeit läuft ab, und immer mehr Nigerianer wollen nicht mehr auf neue Versprechungen der Machthaber warten. Und wenn sich doch herausstellt, daß Abiola eines natürlichen Todes starb, was ja bei einem schwerkranken politischen Häftling und dem miserablen Zustand des nigerianischen Gesundheitswesens durchaus denkbar wäre? Es spricht gegen die Hoffnungen auf eine friedliche Lösung der nigerianischen Krise, daß dies vermutlich völlig egal ist. Dominic Johnson
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen