: Engagierter Versuch vor dem Aus?
■ Scheitert das Mischnutzungskonzept Wendenstr. 45 an den Mietvorstellungen des Investors?
Die Welten profitorientierter Investoren und die junger Künstler gehören im Normalfall zwei Sonnensystemen an. Umso überraschter betrachtete die Hamburger Kunstszene Anfang des Jahres, was sich in der Wendenstraße 45 abspielte. Denn dort schien sich ein Investor mit einer Künstlergemeinschaft, die sich in einer zum Abbruch frei gegebenen ehemaligen Mietfabrik von 1910 eingenistet hatte, über eine weitere Ateliernutzung zu einigen.
Da auch die Stadtplaner des Bezirkes Mitte ein vitales Interesse daran haben, daß die City Süd mit anderen als reinen Bürofunktionen angereichert wird, wurde mit dem Investor Dieter Becken ein Deal vereinbart, der seine Verluste kompensieren sollte. Statt der fünf hier üblichen Geschosse sollte ihm eine höhere Geschoßzahl zugestanden werden, wenn er vom Abriß der Künstlerenklave absehe und die Mieten in dem Altbau auf einem niedrigen Level subventioniert.
Becken, der das gesamte Areal zwischen Wendenstraße, Mittellandkanal und Heidenkampsweg von der Stadt erwarb, schrieb daraufhin einen begrenzten Städtebaulichen Ideenwettbewerb aus, der als Ergebnis zwei erste Preise sah: das Hamburger Büro Bothe, Richter, Teherani und den römischen Stararchitekten Massimiliano Fuksas. Becken wird nun den Entwurf von Bothe, Richter, Teherani umsetzen. Dieser sieht eine 12geschossige Doppel-X in einem Glaskasten als Neubebauung am Heidenkampsweg sowie eine L-förmige Erweiterung des Altbaus vor.
XXL könnte jetzt allerdings auch die Größe der Probleme werden, die auf die Künstler zukommen. Denn über die Höhe der Quadratmeterpreise für die Ateliers, die man „niedrig“ nennen könnte, herrschen sehr unterschiedliche Ansichten zwischen Becken und den Künstlern. Der Investor möchte, wie er gestern gegenüber der taz erklärte, Mieten zwischen 9 und 12 Mark pro Quadratmeter erwirtschaften, „und dabei muß ich schon die gleiche Summe draufzahlen“, so Becken. Die Künstler, die momentan 6 Mark pro Quadratmeter zahlen, was ungefähr der durchschnittlichen Ateliermiete in Hamburg von 6,70 Mark entspricht, versichern aber, daß sie das niemals bezahlen können. „Schon bei einer geringen Erhöhung“, so eine Künstlerin, „wäre die Hälfte der jetzigen Leute draußen. Über 10 Mark ist das Projekt gestorben.“ Zudem beklagen sie, daß der Anbau sowie die 12 Geschosse in dem Atelierhaus zu einer katastrophalen Verdunkelung führen.
Unterstützung in ihren Bedenken finden sie bei mehreren Jurymitgliedern, unter anderem Peter Illies, Planungschef im Bezirk Mitte, und Adrienne Goehler, der HfbK-Präsidentin. Illies hält die 12 Geschosse für mindestens zwei zu viel und hofft ebenfalls, daß Becken erkennt, daß seine Mietvorstellung den Ansatz des Projektes zerstört. Und Adrienne Goehler weist darauf hin, daß dort fast ausschließlich Künstler arbeiten, die von ihrer Kunst nicht leben können. „Es müssen Mieten her“, so die Hochschulpräsidentin, „die für die Künstler realistisch sind.“
Becken, der hofft, in knapp einem Jahr mit dem Bau beginnen zu können, erklärte gestern, er habe „viel Verständnis für die Sorgen der Künstler“, wies aber darauf hin, „daß alle Beteiligten Abstriche machen müssen. Ich bei meiner Wirtschaftlichkeit, der Bezirk bei der Dichte und die Künstler bei den Mieten.“ Daß Abstriche bei Armen andere sind als bei Reichen können ihm vielleicht die Jurymitglieder auf der morgen beginnenden Ausstellung in der Wendenstraße noch einmal nahebringen. Hier werden die am Wettbewerb beteiligten Architekten ihre Entwürfe und die Künstler ihre Arbeiten vorstellen. Vielleicht ist diese Gemeinsamkeit der richtige Anlaß, um eine Lösung zu finden, die den Ursprungsgedanken des Konzeptes nicht zerstört.
Till Briegleb
Ausstellung, Galerie rohbau, Wendenstr. 45, ab morgen, täglich 15-19 Uhr, bis 24. Juli
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