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Dumpfende Palomino-Hengste unterwegs

■ Grant Michaels „Der mit dem Tod tanzt“ erfindet den Klischee-Schwulen neu

Stan Krayckik ist ein Dampfplauderer, ein Schwätzer. Wendungen, die sich längst nicht mehr trauen, auf dem Index der Platitüden zu erscheinen, wie „horizontaler Tango“ und „das Mannesorgan als fünftes Glied“, Krayckik führt sie mit schwachsinniger Lüsternheit im Mund. Seine „Brustwarzen ziehen sich zusammen“, wenn er nur die Big Red erblickt, jenes Motorrad, das sein Freund „zwischen die muskulösen Schenkel“ zwingt. Die Knallcharge – und das macht ihn für einen Moment selbstironisch – sieht sich selbst als „Seifen-Oper-Parodie“, die aus unerfindlichen Gründen mit der Welt der Oper in Gestalt des gefallenen Tänzers Rafik in Kontakt geraten ist. Vielleicht liegt es an diesem Glück, daß er gar nicht mehr aufhören will zu faseln.

Natürlich kann ein Buch über einen aus der Weltgemeinschaft der Party-Plauderer nicht vor Raffinesse strotzen. Aber daß nicht das ganze Buch dem kaum erträglichen Gestus anheimfallen muß, zeigte zuletzt Cathleen Shine mit Rameaus Nichte. Grant Michaels hingegen gelingt das in Der mit dem Tod tanzt insbesondere deshalb nicht, weil er den Bostoner Haarstylisten zu seinem Ich-Erzähler macht – sich so jede Möglichkeit der Distanz nimmt.

„Aber trotz der klugen Bemerkungen klangen die Worte eigentlich alle seltsam leer“, beschreibt der Amateurdetektiv eine Dinner-Party, „als spielten sie einander nur fertige Kassetten vor und prahlten mit ihren verbalen Pirouetten“. Ein Satz, der auch auf das Buch von Michaels zutrifft. Ein Übriges tun die Druckfehler und die, gelinde gesagt, fahrlässige Übersetzung.

Was uns da als „Ich-bin-schwul-na-und“-Krimi angekündigt wird, ist weder ein Krimi, denn Krayckiks Ermittlungsinteresse liegt mehr in amourösen Verwicklungen, noch stellt er eine auch nur einigermaßen glaubwürdige schwule Existenz dar. Michaels reproduziert genau das Klischee des Testosteron-gesteuerten Triebmenschen, der um sich herum nur „die natürliche Anmut und Kraft von Palomino-Hengste(n)“ wahrnimmt oder Brasilianer, denen „der Samba der Hüften einfach im Blut lag“. Zu allem Überfluß wird die homosexuelle Gemeinschaft noch mit verfahrenen Ehemechanismen kurzgeschlossen.

„Wer hätte denn gedacht“, heißt es da, „daß ein Homosexueller jemals mit dieser Art von Ehelogik zu kämpfen hätte?“ Wer hätte das wohl gedacht, fragt sich der ermattete Hetero, der bald darauf belehrt wird, daß die eigene Vorliebe für dünne, muskulöse Frauen ein untrügliches Indiz für unterdrücktes Schwulsein sei.

Michaels reproduziert so mit vermessener Unschuld ein krudes Konglomerat von Klischees über Schwulsein, gegen das sich die Schwulenbewegung nun schon seit Jahren wendet. Ein Buch, wie man es nur Gabriel García Márquez empfehlen kann, der schlechte Bücher liest, um herauszufinden, was gut ist. Volker Marquardt

Grant Michaels, Der mit dem Tod tanzt, Rotbuch, 18,90 Mark

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