Die Guerilla diskutiert mit dem Rest

■ Ab morgen treffen sich in Mainz Vertreter der kolumbianischen ELN-Guerilla und der Zivilgesellschaft. Die Regierung fehlt

Bogotá (taz) – Die Regierung muß leider draußen bleiben. Wenn morgen in Mainz Friedensgespräche zwischen der zweitgrößten kolumbianischen Guerilla, dem Nationalen Befreiungsheer (ELN), und Vertretern aus Kirche, Gewerkschaften und Unternehmerkreisen beginnen, dann sind weder der scheidende Präsident Ernesto Samper eingeladen noch sein Nachfolger Andrés Pastrana, der im August die Amtsgeschäfte übernimmt. Statt nach Mainz fuhr Pastrana am Donnerstag in den kolumbianischen Urwald und traf sich mit Vertretern der größten Guerilla, der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC).

In Mainz treffen sich unter dem Dach der katholischen Bischofskonferenz Guerilla und zivile Gesellschaft, um über einem Weg zum Frieden in dem von 50 Jahren Bürgerkrieg zerrütteten Land zu diskutieren. Die ELN-Spitze bremste mögliche Erwartungen: „Das Treffen in Deutschland ist nicht als Startschuß für Verhandlungen gedacht. Wir betonen ausdrücklich, daß wir in Mainz nicht mit der Regierung an einem Tisch sitzen. Es ist ein Treffen verschiedener Sektoren des Landes, um die bestehenden Probleme zu analysieren“, sagte der Chef der ELN, Nicolás Rodriguez Bautista der Zeitung El Espectador. Konkrete Ergebnisse, etwa die Vereinbarung eines Waffenstillstandes, kann es dabei nicht geben.

Jaime Zuluaga, Politologe am Institut für Politische Studien und Internationale Beziehungen der Nationalen Universität (IEPRI), ist dennoch der Ansicht, daß der Mainzer Dialog zum Erfolg führen könnte: Als Auftakt zu Treffen anderer Art, und weil eben zwischen ziviler Gesellschaft und ELN eine Verständigung in Gang kommt. „Wir haben,“ bestätigt ELN-Chef Rodriguez, „einen Dialog mit der Nation eröffnet, obwohl wir wissen, daß es Leute gibt, die kein Interesse an einem Frieden haben. Aber wir glauben, daß die Beteiligung der Presse, des Radios, der Intellektuellen, der Arbeiter, der Kleinbauern, der Studenten, der ganzen Gesellschaft, den Friedensprozeß unumkehrbar machen wird.“

Der stagniert seit Jahren. 1991 hatten sich Vertreter von Regierung ELN in der venezolanischen Hauptstadt Caracas getroffen. Sieben Monate später schüttelte man sich noch einmal im mexikanischen Tlaxcala die Hände – dabei blieb es, und beide Seiten warfen sich gegenseitig vor, für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich zu sein. Seither hat die ELN an Einfluß gewaltig zugelegt. Der scheidende Präsident Ernesto Samper hat in den vergangenen vier Jahren keinerlei Kontakte mit der Guerilla aufgenommen.

Bei den letzten Präsidentschaftswahlen war ein Friedensvertrag das zentrale Thema, und in den vergangenen Jahren sind die Stimmen derer, die sich für einen Frieden einsetzen, immer lauter geworden. „Die Leute sind schlicht kriegsmüde geworden“, meint der Soziologe Alejandro Reyes.

ELN und FARC kontrollieren rund ein Drittel des Landes. Mit Anschlägen auf Ölpipelines versetzt die ELN internationalen Ölkonsortien in Kolumbien immer wieder empfindliche Schläge, und in der einheimischen Entführungsindustrie ist die Guerilla eine feste Größe. Eine Studie der Armee jedenfalls beziffert die Einnahmen der ELN durch Entführungen im vergangenen Jahr auf 380 Millionen Dollar, die der FARC auf 515 Millionen Dollar bereits in diesem Jahr. Beide verdienen außerdem an Schutzgeldern, die sie den Drogenbaronen abverlangen.

Pro Jahr fallen in Kolumbien etwa 10.000 Menschen in dem Konflikt zwischen Guerilla, Paramilitärs und Armee zum Opfer. Die Paramilitärs werden von Großgrundbesitzern finanziert, um der Guerilla den Garaus zu machen, sie wollen erst aufhören zu wüten, wenn die Guerilla entwaffnet ist. Ingo Malcher