: Wenn Protestanten protestieren
■ Der Showdown zwischen Nordirlands Polizei und protestantischen Oranier-Marschierern in Portadown eskaliert. Der Oranier-Orden will nicht nachgeben. Das Schlimmste kommt erst noch
London/Belfast (rtr/dpa) – Der Streit um die Märsche des protestantischen Oranier-Ordens in Nordirland weitet sich zur politischen Krise aus. Bei den bislang schwersten Zusammenstößen zwischen Ordensmitgliedern und der Polizei seit Beginn des Oranier- Aufmarsches in Portadown vor sechs Tagen wurden in der Nacht zu gestern fünf Polizisten schwer verletzt.
Dem Orden war der Marsch durch ein Wohnviertel der katholischen Minderheit in der Stadt verboten worden. Seitdem verlangt er die Aufhebung des Marschverbots für die Garvaghy Road im Stadtteil Drumcree in Portadown. Dort haben sich mittlerweile 20.000 bis 25.000 Ordensmitglieder versammelt, um den Marsch durchzusetzen. In der Nacht gelang es einem Teil der Menge, die Polizeisperren zu durchbrechen, die sie seit Sonntag am Marschieren hindern. Sie warfen Feuerwerkskörper, mit Nägeln gefüllte Sprengkörper und Steine auf die Polizei, die Plastikgeschosse auf die Angreifer feuerte.
David Jones von der Oranier- Führung äußerte die Sorge, daß am Wochenende Oranier in großen Massen die Stacheldrahtsperren und Gräben quer über die Garvaghy Road überwinden könnten. „Es wird schwer werden, so viele Leute aufzuhalten“, meinte er. Die Oranier bedauerten die Gewaltzwischenfälle der vorangegangenen Nacht. Sie seien aber verständlich.
Tony Blair sagte gestern in einem TV-Aufruf, er sei weiterhin bemüht, eine Lösung im Streit um den Marsch zu finden. „Die Rechtsstaatlichkeit muß bewahrt werden!“ warnte Blair in einem vom britischen Fernsehen übertragenen Aufruf. Proteste und Meinungsäußerungen seien Teil der Demokratie, räumte er ein. „Aber wir können nicht zulassen, daß die Polizei und die Sicherheitskräfte attackiert werden.“
Eine Initiative zur Lösung der Krise in der Provinz vor dem am Sonntag und Montag erwarteten Höhepunkt der jährlichen Oranier-Märsche zeichnete sich jedoch nicht ab. In Belfast scheiterten katholische Anwohner der Ormeau Road in ihrem Versuch, einen für Montag geplanten und genehmigten Marsch von Oraniern in ihrem Viertel gerichtlich verbieten zu lassen.
Aus Furcht vor der am Wochenende drohenden Gewalt sind viele Nordiren vorzeitig in Urlaub ins Ausland gereist. Die Innenstadt von Belfast gleicht Zeitungsberichten zufolge am Abend einer Geisterstadt, weil sich niemand mehr auf die Straßen wage oder Restaurants und Pubs besuchen wolle. Der Fremdenverkehr aus dem Ausland ist vielfach zum Erliegen gekommen.
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