: Die große Koalition ist happy: Sechs Jahre lang Geld für Problemzonen
■ WiN soll den Nachbesserungsprojekten von einst folgen: Für „Wohnen in Nachbarschaften“ sollen 36 Millionen Mark fließen
Bremens Große Koalition ist sich ungewöhnlich einig. Gegen die Probleme in der Stadt, gegen Verwahrlosung von und in Stadtteilen, wollen die unterschiedlichsten Senatsressorts künftig gemeinsam vorgehen – angefangen beim äußeren Erscheinungsbild heruntergekommener Häuserzeilen bis zu Bildungsmaßnahmen für Schulverweigerer. Morgen soll der Senat den Weg für die konzertierte Aktion unter dem Titel „Wohnen in Nachbarschaften“ – wegweisend als „WiN“ abgekürzt – freimachen. Sie soll 1999 beginnen und 36 Millionen Mark kosten. Die Hälfte davon sollen die Ressorts innerhalb von sechs Jahren loseisen, um „Stadtteile für die Zukunft zu entwickeln“. Der Rest soll über „Ergänzungsmittel“ finanziert werden.
Ganz oben auf der Verschönerungsliste stehen die Stadtteile Blockdiek, Grohner Düne, Gröpelingen, Hemelingen, Kattenturm, Lüssum, Marßel, Osterholz-Tenever, Sodenmatt und die Neue Vahr; alles Stadtteile, die auch im „Bericht zur Inneren Sicherheit und Jugendkriminalität im Lande Bremen“ besondere Beachtung fanden – als künftige „Handlungsorte für wohnquartierbezogene Ansätze“.
Einzig in Finanzierungsfragen gab es zwischen den Ressorts bislang unterschiedliche Ansichten darüber, wie verbindlich die jährlich insgesamt drei Millionen WiN-Mark in den Haushalten festgeschrieben werden sollen. Unstrittig ist jedoch insgesamt, und auch im finanzbedenkentragenden Innenressort, daß es ein solches Programm geben soll und daß seine Federführung beim Bausenator liegt. Über die Vergabe, inklusive 18 Millionen Mark an „Ergänzungsmitteln“, die noch anderweitig aufgetrieben werden sollen, wird später ein ressortübergreifendes Gremium, an dem auch VertreterInnen von Vor-Ort-Initiativen beteiligt werden, entschieden.
Den Handlungsbedarf für die WiN-Nachbesserung in besonders benachteiligten Stadtteilen begründet die Einsicht: Wer verhindern will, daß bestimmte Stadtviertel zu Armutszentren werden, muß dafür sorgen, daß sie mindestens für durchschnittliche Einkommensverdiener nicht ganz unattraktiv werden. Daß Unterpriveligierte sich künftig in bestimmten Gebieten zwangsläufig häufiger wiederfinden werden, wenn in Bremen in den kommenden Jahren 50 Prozent der Sozialwohnungen aus der Sozialbindung fallen, ist absehbar. Ganz im Sinne der WiN-Initiative mahnten in der vergangenen Woche VertreterInnen des Bonner Stadtforschungsinstituts „empirica“ – quasi als letztes Warm-Up für die Ressorts – denn auch eine Reform des sozialen Wohnungsbaus an. Priorität müsse sein, „soziale Erosionsprozesse zu mildern“.
Beim Bausenator ist man dafür bereits tätig. Seit wenigen Monaten gebe es eine Vereinbarung mit dem Großvermieter Gewoba, bei der Vergabe von Sozialwohnungen weniger regelfixiert zu handeln als bisher, bestätigte Bau-Sprecher Hartmut Spiesecke gegenüber der taz. Sprich: wo Besserverdienende die Sozialwohnung im Problemblock belegen, kann die Familie, die Anspruch auf die Sozialwohnung hätte, ganz unbürokratisch eine andere Wohnung beziehen. Sie würde trotzdem weiter gefördert.
Grundsätzlich aber umfasst der „soziale Erosionsprozeß“, der aufgehalten werden soll, alles – von einer guten sozialen Mischung bei der Belegung von Großwohnanlagen, über den Erhalt von Nachbarschaftstreffs, bis zur Finanzspritze für die heruntergekommene Ladenzeile – nicht zuletzt, um auch Arbeits- oder Ausbildungsplätze in den Vierteln zu erhalten.
Dafür hat der Senator für Arbeit seinen Beitrag zum WiN-Programm in Form einer von der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit eingeworbenen Finanzspritze für 30 bis 35 ABM-Stellen angekündigt; der Justizsenator will sich „durch finanzielle Umsteuerung“ von Haushaltsmitteln für den Täter-Opfer-Ausgleich einsetzen; die Jugendsenatorin will Geld für die Prävention von Jugendkriminalität bereitstellen. ede
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