Viel Freund, viel Ehr

■ Deutsche Unis suchen ihre Identität: Netzwerke ehemaliger Studenten sollen Geld, Ansehen und Beziehungen zur Wirtschaft mehren. Anders als in den USA hagelt es bislang nur gute Wünsche

Berlin (taz) – Magnifizenz vergoß ein paar Krokodilstränen. Von vielen Ehemaligen habe er gehört, ihr Studium sei „die schönste Zeit ihres Lebens“ gewesen, schrieb Wolfgang Jäger, Rektor der Universität Freiburg. Doch dann, mit dem akademischen Abschluß, hätten sich die Türen der Universität geschlossen, „oft brach der Kontakt ab“. Jäger legte ein Beitrittsformular für einen Ehemaligen- Club bei, der letztes Wochenende eine erste Wiedersehensparty ehemaliger Kommilitonen der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität feierte.

Mit allerlei Einladungen, Aushängen und Rundschreiben suchen deutsche Universitäten derzeit Kontakt zu ihren ehemaligen Studierenden. Vorbild sind Netzwerke von Alumni (Zöglingen), wie sie in den USA Tradition sind. US-Universitäten erwirtschaften durch Spenden und Mitgliedsbeiträge Ehemaliger einen Großteil ihrer Budgets. Die Netzwerke können Studierenden Praktika und Absolventen nicht selten das Entree in ein Unternehmen verschaffen. Im Konkurrenzkampf der Unis dienen die Ehemaligen als Lobbyisten in Politik und Wirtschaft.

Davon träumt auch Rektor Jäger im Breisgau: „In einer Zeit, wo das Ansehen der Unis in der Gesellschaft nicht besonders hoch ist, muß man eine Lobby schaffen.“ Seine Universität sammelte bereits 17.000 Adressen von Ehemaligen, in wenigen Monaten traten 500 „Alumni Freiburg“ bei. Zöglings- Filialen gibt es schon in Korea und Japan. Geplant sind Alumni-Clubs in europäischen Städten und auch ein Betriebs-Club in einem Großunternehmen, in dem es eine Menge Ex-Studiosi gibt. Bei der Suche registrierten die Freiburger erfreut, wie viele einflußreiche Zöglinge sie haben: 19 Botschafter, die Aufsichtsratschefs der Konzerne Hoechst, Thyssen und BASF, der Astronaut Ernst Messerschmid, CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble, die Fernsehmoderatoren Bodo Hauser und Alfred Biolek – alle haben sie mal in Freiburg studiert.

Hinter jedem sehen die Freiburger einen potentiellen alten Herren, Ansprechpartner – und Geldgeber. Bei konkreten Projekten könnten Alumni eine „echte Zusatzfinanzierung“ bieten, hofft Jäger: „Sie müssen sich nur mal überlegen, wie leicht ihnen die in Harvard einen 100-Millionen-Dollar- Bau bezahlen.“

Die Universität Yale etwa kassierte kürzlich in einem Fünfjahresprogramm 1,5 Milliarden Dollar. Und die kalifornische Staruniversität Berkeley forcierte 1996 ihre Alumni-Aktivitäten, nachdem die Regierung Mittel gekürzt hatte: Bis Ende des Jahrtausends soll eine Milliarde Dollar gesammelt werden. Edel-Alumni spenden Millionenbeträge nach einem Mittagessen mit dem Uni-Kanzler. Weniger gut Betuchte können per Internetseite und Kreditkartennummer 25 Dollar anweisen.

Freilich dürfte das amerikanische Alumni-System auf Deutschland nicht so leicht übertragbar sein. Während in den USA Jahrgangsklassen meist von Beginn bis Ende des Studiums eine Gemeinschaft bilden, sind deutsche Massenunis in unzählige Seminare und Fächer zersplittert. „Die Kultur hier ist eine andere“, sagt Lisa Fitzner, die das Alumni-Projekt der Freien Universität Berlin koordiniert: „Man kommt, studiert, geht – und es ist jedem egal.“

Zudem lebt Alumni von dem Bedürfnis, etwas zurückzugeben, was man in der Ausbildung bekommen hat. Doch was sollen deutsche Studenten für überfüllte Vorlesungen und lückenhafte Bibliotheken zurückgeben? „Gott sei Dank, das habe ich hinter mir“, beschreibt Alumni-Mitarbeiterin Christine Domnik von der Uni Heidelberg die Eindrücke vieler Absolventen. Anders als in den USA, wo graduation ceremonies mit viel Brimborium abgehalten werden, muß sich in Deutschland fast noch jeder sein Zeugnis im Sekretariat abholen.

Bessere Chancen könnten da kleine Privathochschulen haben. An der Universität Witten-Herdecke erhalten die Ehemaligen regelmäßig Infopost, es gibt eine Ehemaligen-Organisation, und Alumni nehmen an Aufnahmegesprächen teil. Ob die Zöglinge bald einmal die Hochschule mitfinanzieren werden, ist offen. Immerhin gibt es die Uni ja erst seit 15 Jahren, sagt Sabine Bohnet-Joschko, da stünden viele erst am Anfang der Karriere.

In Freiburg antworten die Alumni nur mit guten Wünschen. „Sehr gute Idee“, schrieb Moderator Bodo Hauser wenig originell, „sehr interessant“, antwortete Alumni Biolek. Ein „wichtiges Instrument“ zur Nachwuchsförderung, jubelt Bertelsmann-Vorstand Frank Wössner, der immerhin Praktika in seinem Konzern anbietet. Doch vom Geldspenden wie in den USA spricht derzeit noch kein Alumni. Niemand, beschwichtigt auch Rektor Jäger, dürfe von heute auf morgen zuviel erwarten: „Friend raising, before fund raising.“Georg Löwisch