: Bademeister sind auch nur Menschen
■ Die Angestellten des Prinzenbades, denen Betrug vorgeworfen wird, sollen gefeuert werden. Stammkunden des Bades sind kaum verwundert: "Die Clique kennt sich doch seit 20 Jahren"
Friedlich zogen die Schwimmer im Kreuzberger Prinzenbad ihre Bahnen. Die Luft war kühl und das Becken recht leer. Da erschallte vom Wachturm eine Durchsage: „Achtung! Achtung! Hier spricht die Polizei. Bitte verlassen sie sofort das Becken.“ Die Schwimmer sahen sich von zahlreichen Polizisten umgeben, die freundlich nach ihren Eintrittskarten fragten. Die Angestellten des Bades waren spurlos verschwunden. Kripo-Beamte durchkämmten das gesamte Areal. „Selbst in den unbenutzten Garderoben-Schließfächern guckten sie nach“, erzählt ein 58jähriger Industriedesigner, der seit über 20 Jahren täglich in dem Sommerbad Sport treibt.
Die einzigartige Razzia in einem Berliner Schwimmbad ereignete sich am frühen Dienstag abend. Das Ergebnis: 12 von insgesamt 22 Angestellten stehen im Verdacht, sich an Eintrittsgeldern bereichert zu haben. Die genaue Höhe ist noch nicht bekannt. Erste Schätzungen gehen in die Hunderttausende. Die Kripo vermutet nach Angaben des Leiters des Betrugsdezernats, Andreas Maaß, daß je nach Wetterlage 1.000 bis 5.000 Mark am Tag beiseite geschafft wurden. Teilweise seien überhaupt keine Eintrittskarten ausgehändigt worden. Auch seien den Gästen nichtentwertete Tickets von einem Türsteher abgenommen und später nochmals verkauft worden. Zudem sollen Halbjahres- und Jahreskarten mit Farbkopierern gefälscht worden sein. Ein Jahresticket kostet 380 Mark.
Nachdem vor einem Jahr erste Hinweise aus der Bevölkerung gekommen seien, hat die Kripo den Kassenbereich observiert und eigene Besucherzählungen durchgeführt. Die Erhebungen wurden mit den an die Berliner Bäder Betriebe (BBB) abgeführten, offiziellen Tagesabrechnungen verglichen. Wie die Zusammenarbeit koordiniert und das Geld verteilt wurde, wird noch ermittelt. Zwei der vier beschuldigten Kassierer, die ein Geständnis abgelegt haben, wurden nach Angaben des BBB-Sprechers Manfred Radermacher fristlos entlassen. Die übrigen zehn Beschuldigten, darunter der Chef des Bades, wurden beurlaubt. Sie sollen nach Rücksprache mit dem Personalrat ebenfalls gefeuert werden, wenn sich der Verdacht erhärtet, sagte Radermacher. Es gebe aber keine Hinweis dafür, daß die an den Becken tätigen Schwimmeister involviert seien.
Seit der Razzia weht im Prinzenbad ein anderer Wind. Eine von den Bäderbetrieben abkommandierte, freundliche Kassiererin überprüfte gestern morgen alle Dauerkarten, die sonst nur flüchtig vorgezeigt werden, auf ihren Aufdruck. Daß Teile der Belegschaft in die Kasse gegriffen haben sollen, wunderte die von der taz befragten Stammkunden nicht. „Das ist doch seit 20 Jahren die gleiche Clique“, sagte ein Sonderschullehrer lakonisch. Ein 38jähriger Bildhauer, der seit 15 Jahren ins Prinzenbad kommt, kennt die Angestellten nur als „blöde Muffeltypen“, die weder zu einem Gruß noch einem Lächeln fähig seien. Die langjährige Pächterin der Cafeteria, „eine herzensgute, weltgeöffnete Frau“, will er von dieser Kritik allerdings ausgenommen wissen.
„Die Ermittlungen bestätigen leider das Vorurteil, daß im öffentlichen Dienst in die eigene Tasche gewirtschaftet wird“, meinte eine 42jährige Frührentnerin, die seit 14 Jahren kommt. Sie ärgert sich schon lange darüber, daß die Duschen zwischendurch nicht mal saubergemacht werden. Beschwerden hält sie aber für sinnlos. Dann würde sie ja doch nur eine unwirsche Abfuhr bekommen, wie damals, als ihr die Tasche aus dem Spint geklaut worden war.
Nur der 58jährige Industriedesigner, der bei der Razzia dabei war, zeigte sich im Hinblick auf die Betrugsvorwürfe richtig enttäuscht von der Belegschaft. Vor allem vom Chef, den er seit vielen Jahren kennt. Daß die Bademeister „Muffeltypen“ seien, stimme nur so lange, wie man sie „als Bestandteil eines Automaten wahrnimmt“. Wenn man ihnen aber anders begegne, „erlebt man sie als Mensch“. Plutonia Plarre
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen