: Hauptstadt der Kinderpornos?
Während manche Berlin für ein Zentrum der Kinderpornographie halten, meldet ein Polizeiexperte Bedenken an. Kripo vom aktuellen Fall überrascht ■ Aus Berlin Heike Spannagel
Die Spur führt von Berlin in den niederländischen Badeort Zandvoort und wieder zurück nach Berlin: Im Juli 1993 ist dort der damals zwölfjährige Manuel Schadwald verschwunden. Die Vermutung, daß er sich in den Niederlanden aufhalte und dort für Kinderpornos mißbraucht werde, ist bislang nicht bewiesen. Jetzt kam heraus, daß in der Zandvoorter Wohnung, wo der mutmaßliche Kinderporno- Ring aufflog, auch viele Berliner Adressen sichergestellt wurden. „Das ist noch keine heiße Spur“, sagte Pressesprecher Norbert Gunkel von der Berliner Kripo gestern zur taz.
Demgegenüber hatte die Berliner Morgenpost in ihrer gestrigen Ausgabe berichtet, Berlin spiele eine Hauptrolle in einem weltweiten Kinderporno-Netzwerk. Zwei Morgenpost-Reporter hatten 1997 zusammen mit der belgischen Bürgerinitiative „Werkgroep Morkhoven“ die Spur Manuel Schadwalds in den Niederlanden aufgenommen. Ihren Recherchen zufolge sollte Manuel Opfer eines internationalen Kinderhändlerrings geworden sein. Die Privatermittler gingen ursprünglich davon aus, daß der Junge auf einem pornographischen Videofilm zu sehen sei. Die Polizei konnte diesen Verdacht allerdings nicht bestätigen. Das Bundeskriminalamt ließ verlauten, daß das besagte Video schon Jahre vor Manuels Verschwinden entstanden sei.
Von der Nachricht über den aufgeflogenen Kinderporno-Ring war die Berliner Kripo gestern völlig überrascht; sie war an den Nachforschungen in Zandvoort nicht beteiligt. Entsprechend gingen von Berlin gestern noch keine Ermittlungen aus. „Zunächst müssen wir das Beweismaterial sichten“, sagte der Leiter der Abteilung „Delikte am Kind“, Michael Klös, gestern zur taz. Die niederländische Polizei stelle ihnen die Bilder, die in der Zandvoorter Wohnung gefunden wurden, zur Verfügung. Bislang gebe es keine Hinweise darauf, daß darauf auch Berliner Kinder zu sehen seien.
Daran, daß im Kinderporno- Geschäft Verbindungen von Berlin in die Niederlande existieren, bestehe kein Zweifel, meinte Michael Klös. Es sei beispielsweise bekannt, daß Strichjungen aus Berlin in Holland arbeiteten. Es gebe allerdings keine Hinweise darauf, so Klös, daß die Kinderpornographie netzwerkartig organisiert sei und Berlin innerhalb dieses Netzwerks eine zentrale Stelle einnehme.
Fälle von Kinderpornographie im Internet fallen bei der Berliner Polizei zuhauf an. Ein Kommissariat für Kinderpornographie wurde eigens eingerichtet. Die Aufklärung sei allerdings oft unmöglich, so Klös, weil die Bildausschnitte jeweils so gewählt seien, daß die Täter unerkannt blieben. Bei den in Zandvoort gefundenen Aufnahmen sollen hingegen die Gesichter gut zu erkennen gewesen sein. Ein großer Teil des Bildmaterials, das heute im Internet kursiert, stammt aus den 60er und 70er Jahren. Die fototechnische Schärfe ist entsprechend schlecht und erschwere die Fahndung.
In den letzten Jahren häuften sich die Fahndungserfolge im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung von Kindern. 1996 flog ein Kinderschänderring in Österreich auf. Im Mai 1997 landete die französische Polizei einen Schlag gegen die Pädophilenszene. Zwei Monate später stellten deutsche Beamte bei einer bundesweiten Razzia mehrere tausend Videos sicher. Sie waren über einen Versandhandel vertrieben worden.
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